Die Ernährungssituation der Bevölkerung, besonders die der Kinder, war nach der Kapitulation 1945 katastrophal. Deshalb beschloss Großbritannien am 1. Februar 1946 in seiner Besatzungszone die Schulspeisung einzuführen. Gisela Hackbarth hat Archivmaterial und Zeitzeugenaussagen zusammengetragen, die über die Situation in Reinbek Auskunft geben.
Jeder, der in den Jahren 1945 bis 1949 die Schule besucht hat, erinnert sich an die Kekssuppe. Für die meistens ist sie in guter und dankbarer Erinnerung, half sie doch, den größten Hunger zu stillen. Genaues weiß niemand mehr, aber doch, dass man mit Kochgeschirr oder bloß mit einer Blechdose mit Drahtbügel und einem Löffel in die Schule ging; und natürlich schwärmen viele heute noch von der Kekssuppe. Es gab auch Graupen- und Sojasuppen, die nicht allen mundeten.
Einig über den Beginn der Schulspeisung sind sich die Schülerinnen und Schüler von damals nicht. In der Schulchronik der Volks- und Mittelschule Reinbeks heißt es:
„1945 bis 1948: Eine große Hilfe in dieser Zeit war die Schulspeisung, durch die den Kindern bei der schlechten Ernährungslage eine warme Suppe verabreicht wurde.
Schuljahr 1949/50: Die Schulspeisung läuft weiter. Am 7. Juni 1950 trafen 110 Päckchen vom amerikanischen Roten Kreuz ein, die an die 5. Schuljahre (Englisch Unterricht) verteilt wurden.“
Alle erinnern sich aber an den Schlag mit der Suppenkelle aus dem großen Kübel. Manche sprechen von der Verteilung vor dem Haus Tiefenbacher, andere erhielten ihre Suppe im Flur des Gymnasiums. Ein Zeitzeuge berichtet:
„Die älteren Schülerinnen gaben reihum das Essen aus. Wenn meine große Cousine dran war, bekam ich eine extra große Portion. Am liebsten mochte ich die Kekssuppe. Aber einmal schwammen Maden oben auf der Suppe. Wir mussten die Maden rausfischen. Das war eklig und verdarb mir den Appetit. Die Suppe habe ich aber trotzdem gegessen, ich hatte ja Hunger.“
1948 wurde erwogen, die Schulspeisung in den Fahrradkeller der Volksschule zu verlegen:
„Aus Sitzungsprotokollen des Vorstandes der Volksschule:
Niederschrift vom 27. Sept. 1948
Beratungspunkt I . / 2
In der Küchenbaracke lassen sich zwei Klassenräume herstellen. Die Herrichtung der Kinderspeisung ist nach der Volksschule, und zwar nach dem so genannten Fahrradkeller und der Küche zu verlegen.“
In der Gemeinde wurde dieser Vorschlag diskutiert. Das Protokoll gibt auch Auskunft über die Dimension der Schulspeisung:
„Aus der Abschrift eines Gemeindeprotokolls vom 29. Sept. 1948:
I. Besichtigung der Küchenbaracke:
3.) Für die Durchführung der Kinderspeisung werden 4 Kessel benötigt à 300 l und 1 Wasserkessel, zusammen 5 Kessel à 300 l.
Verpflegt werden in der Volksküche z.Zt. 65 Personen – Außerdem sind dort für 1 695 Kinder je
½ Liter Kinderspeisung herzustellen.
Für die Unterbringung der Warenvorräte wird ein Raum in Größe von 2 x 2 m gebraucht; der Raum muss absolut gesichert sein gegen Diebstahl.
Für die Durchführung des Kindertagesheims in der Nissenhütte neben der Turnhalle sind 60 Portionen Essen je ½ Liter vorzusehen.
III. Besichtigung des Fahrradschuppens in der Volksschule:
1.)Festgestellt wird, dass in dem Fahrradschuppen etwa 3 bzw. 4 Kessel aufgestellt werden können, dass aber im Übrigen dieser Raum für die Reinigung der Thermoferen nicht ausreicht. Angeregt wird, die Thermoferen in der Schulküche zu reinigen. Frl. Wernicke erklärt, dass diese Möglichkeit erst ab 15 Uhr besteht, weil bis dahin der Unterricht stattfindet.
Die Köchin der Volksküche macht geltend, dass sie auch einen Arbeitstisch benötigt für die Zubereitung der Kinderspeisen.
Für die Feuerung wird neben dem Fahrradraum ein Schuppen aufgestellt.“
Bisher konnte mir niemand bestätigen, ob die Herrichtung der Kinderspeisung, wie vorgesehen, in die Volksschule verlegt wurde. Weder in der Schulchronik der Volks-und Mittelschule, noch im Stadtarchiv fand ich weitere Unterlagen. So bleiben auch die Fragen offen, seit wann es wirklich die Schulspeisung in Reinbek gab, woher die Lebensmittel kamen, wer das Essen kochte und wo es gekocht wurde.