Mancher Fremde, der mit der Bahn nach Reinbek kommt, wundert sich über das große, einem Herrenhaus ähnliche Gebäude hinter den mächtigen alten Bäumen. Er kann heutzutage aber schnell erkennen, dass er vor dem „Amtsgericht“ steht. Ein ortsgeschichtliches Schild, das unser Museumsverein aufstellte, sagt uns: hier steht das „Sophienbad“ in der Wildkoppel – seit 150 Jahren und hat im Laufe der Zeit sein Aussehen etwas verändert. Im ersten Teil der Geschichte des Sophienbades berichtet Gerhild Arndt von der Nutzung des Sophienbades als Sanatorium bis 1910:
Das „Gehege Wildkoppel“ – in alten Flurbüchern „Herzoglicher Thiergarten“ genannt – gehörte ursprünglich zum Schlossbereich. Hier jagte der Herzog mit seinen Gästen. Zur Erleichterung der Jagd wurde das Wild durch Fütterung an diesen Platz gewöhnt oder es wurde durch Forstarbeiter aus den angrenzenden Waldgebieten zugetrieben. Ein Bach durchfloss die Wildkoppel in Nord-Süd-Richtung.
1846 wurde die Eisenbahnstrecke Bergedorf-Berlin ausgebaut und schnitt die Wildkoppel vom Schlossgarten ab. Auch der Bach wurde von seinem Unterlauf getrennt. Die Bahn brachte Reinbek den erstrebten wirtschaftlichen Aufschwung. Die kurze Fahrtzeit nach Hamburg machte den Ort nicht nur als Villenvorort interessant, sondern auch als Ausflugsort.
Die Gunst der Stunde nutzte der Sanitätsrat Dr. Georg Julius Andresen. Er erwarb im Jahre 1857 3 Parzellen des Geheges Wildkoppel, um auf dem Gelände eine Kaltwasserheilanstalt zu errichten. Verkäufer war das Königliche (dänische) Ministerium für die Herzogtümer Holstein und Lauenburg. Dr. Andresen hatte mit dem Kauf auch die Nutzung der Quellen in der Wildkoppel erhalten. Neben der Kaltwasserheilanstalt, dem Sophienbad, wurden noch 3 Wohnhäuser, zwei Logierhäuser, eine Musikhalle, ein Pavillon, ein Eiskeller, ein Kohlenschauer und ein Schuppen für das Federvieh errichtet. Den Namen erhielt das Kurbad und die Quelle von Andresens Ehefrau Sophie. Auch die Sophienstraße trägt ihren Namen. Frau Sophie ist mit bauschiger Krinoline (einem bauschigen Reifrock) geschildert worden und das Personal hatte den Eindruck, sie könne überall gleichzeitig sein.
Am 9. April 1858 wurde „Das Sophienbad, Diätische Pflege-und Wasser-Heilanstalt“ eröffnet. Zur Einweihung wurde ein Fest mit Feuerwerk gegeben. Die Sophienquelle war als Fontäne gefasst. Zur Zeit dieser Gründung war das Kuren mit kaltem Wasser eine neue Heilmethode. Der allseits bekannte Sebastian Kneipp (1821-1897) hatte um 1850 die heilende Wirkung des Wassers entdeckt und Therapien entwickelt. Es wird gemunkelt, dass er seine Ideen einem bereits 1833 erschienenen Buch entlehnt hat, das sich mit den Grundlagen der Wasserheilkunde beschäftigte, wie sie Vinzenz Prießnitz (1799-1851) betrieben hatte. Prießnitz erhielt 1831 die Genehmigung, eine Kaltwasserheilanstalt vor den Toren Wiens zu errichten.
Die Kurgäste im Sophienbad, das sich wachsender Beliebtheit erfreute, nahmen Bäder „in mancherlei Temperaturen, warm, kühl und kalt.“ Sie promenierten in der Wildkoppel, hielten Diät, ruhten, konnten sich aber auch im Musikpavillon oder im Lesezimmer zerstreuen. In einem Prospekt aus der Zeit von ca. 1870 steht: „Für Kuh- und Ziegenmolken, Dampfbäder und Herrichtungen zu gymnastischen Übungen ist Sorge getragen und neuerdings auch für Massage.“ Die Kuren sollten bei Gicht, Rheumatismus, Unterleibserkrankungen, Nervenleiden u.ä. helfen. Schwindsüchtige, Diabetiker, Epileptiker und Geisteskranke fanden keine Aufnahme. Auch im Winter war das Bad geöffnet, für warme und trockene Zimmer war gesorgt.
Die Sophienquelle befand sich seit 1854 in einem gemauerten Quellhäuschen. Das Häuschen trug die griechische Inschrift: „Hydor men ariston“ – „Wasser ist das Beste“. Der Hamburger Maler Otto Speckter (1807-1871) ist zur Zeit der Direktion von Dr. Andresen Kurgast im Sophienbad. Er schildert seiner Frau anschaulich das Kurleben:
„…es ist gar so schön hier im Holz, bis 10 Uhr ruhe ich auf meinem Zimmer, dann ist Sitzbad. Das gewährt einen heiteren Anblick: In einem großen Raum sitzen wohl 20 Personen, alle mit langen weißen Gewändern, die meisten mit Turbanen auf dem Kopf, bis einer plötzlich sich erhebt und seinen bloßen Allerwertesten zeigt, worauf gleich ein Wärter hinzuspringt und an zu reiben fängt. ich glaubte in eine mohammedanische Sekte zu treten und glaubte, sie würden gleich anfangen, einen Tanz aufzuführen. Wenn man noch fremd mit diesen Sitten ist, so ist es nicht angenehm.“
Das weitere Schicksal der Kaltwasser-Heilanstalt ist für Dr. Andresen nicht immer eine reine Freude gewesen. Besonders die finanzielle Seite dieses Unternehmens bereitete manche Schwierigkeiten. Im Jahre 1879 wurde eine Aktiengesellschaft gegründet, Dr. Andresen wurde Haupt-aktionär mit der Bestimmung, auf Lebensdauer leitender Arzt und einer der drei Direktoren dieser Heilanstalt zu bleiben. Als Dr. Andresen 1882 starb, wählte die Generalversammlung der AG Dr. med. P. H. Hennings aus Schwabstedt zum ärztlichen Direktor. Die Aktiengesellschaft geriet jedoch weiterhin in finanzielle Bedrängnis und 1910 musste das Konkursverfahren eröffnet werden.