So waren die „Grauen Schwestern“. Eine Reinbekerin erzählt von der Geburt ihres Sohnes im St. Adolf-Stift und der darauf folgenden Taufe:
„Mein Sohn kam am 2. Dezember abends gegen 23 Uhr in Reinbek zur Welt. Mein Mann nahm als erster nach der Kaiserschnittgeburt das gesunde, 7 Pfund schwere Kind in die Arme, während die Mutter narkotisiert auf das Krankenzimmer geschoben wurde. Erst nach Stunden brachte mir die Säuglingsschwester das rosige, natürlich besonders hübsche Baby: kein bisschen zerknautscht oder verquollen, wie sein älterer Bruder es nach einer schweren Zangengeburt gewesen war.
Um die anderen Säuglinge auf der Babystation nicht aufzuwecken, brachte mir die Nachtschwester in aller Herrgottsfrühe den hungrigen Knaben zum Stillen. Ich lag in einem Einzelzimmer und durfte nach getaner Arbeit mit dem Baby ein längeres Morgennickerchen machen. Durchaus ein Privileg, denn nach strenger Sitte wurden die Kleinen nur für ein halbes Stündchen jeweils am Morgen und am Abend den Müttern gebracht. Das heutige ‘rooming-in’ wie bei meinen Enkelkindern gab es ja noch nicht! Besuchern und selbst den Vätern wurde das Baby nur hinter einer Glasscheibe im Säuglingszimmer gezeigt.
Schwester Dionysa, die den Grauen Schwestern von der heiligen Elisabeth angehörte, hielt gern ein Schwätzchen an meinem Bett, wenn ich medizinisch betreut wurde. Sie war immer gut gelaunt und heiter, unterhielt sich gerne über ‘weltliche Dinge’ – zu meiner Überraschung – und bestaunte ein modisches Nachthemdchen, das mein Mann mir mitgebracht hatte. Aber wir sprachen auch über ihre Arbeit, ihr Leben im Orden, denn ich hatte ein gewisses Problem mit dem katholischen Glauben. Ich hatte mich meinem Mann zuliebe (oder besser wegen meiner Schwiegermutter!) katholisch trauen lassen und versprochen, dass die aus der Ehe hervorgehenden Nachkommen katholisch getauft und erzogen werden sollten.
Nachdem Pastor Becker von der Herz-Jesu-Kirche mich bzw. den katholischen Säugling besucht hatte, schlug Schwester Dionysa vor, seine Taufe doch in der Krankenhaus-Kapelle vornehmen zu lassen. Es war Adventszeit, der Hl. St. Nikolaus war am 6. Dezember erschienen, ein Kinderchor erfreute die Patienten, aber auch die Nonnen sangen auf den Fluren Advents- und Weihnachtslieder. Ich fühlte mich ausgesprochen wohl während dieser stimmungsvollen Wochen, wusste ich doch, dass meine liebe Mutter zu Hause alles richtete und im Griff hatte.
Es war eine gute Entscheidung, meinen Sohn in der heimeligen katholischen Kapelle inmitten der Nonnen, die ihre Mittagsgebete verrichtet hatten, taufen zu lassen. Ich wurde im Rollstuhl gefahren, und ganz feierlich brachte die Säuglingsschwester den Täufling zum Taufbecken. Außer einer Taufpatin und den Schwestern wohnten nur wir Eltern der Zeremonie bei. Das Baby, das nun fast drei Wochen alt war, verhielt sich sehr brav und schaute mit großen Augen Pastor Becker und seine liebe Schwester Dietlinde an. Es herrschte eine ganz besondere Atmosphäre, die uns sehr berührte. Mit welcher Inbrunst beteten die Schwestern für diesen, ihnen unbekannten Knaben! Ich denke, dass die vielen guten Segenswünsche meinem Sohn Glück gebracht haben in seinem Leben. Und ich erinnere mich mit Dankbarkeit an das innige Beisammensein in der Krankenhauskapelle vor 41 Jahren.“