Der Milchmann! Mechthild Pirson erzählt vom Puls’schen Milchgeschäft, von Vollmilch, Buttermilch, Dickmilch, Joghurt, Quark, saurer Sahne… und gibt einen Einblick in die Zeit nach 1935:
„Wer hat – vielleicht auf dem Flohmarkt – schon einmal eine Kanne aus Aluminium oder weißer, manchmal auch grauer Emaille erstanden, 20-30 cm hoch und mit einem Durchmesser von 9-10 cm, mit Deckel natürlich und einem Henkel zum Tragen? Mit der zog man zu Milchmann Puls, einem der Schönningstedter Brüder („Milch“-Puls, „Kohlen“-Puls) und holte seine Milch.
Über ein paar Stufen erreichte man das Geschäft in der Schönningstedter Straße 69. Links das kleine Schaufenster, der Raum vielleicht 30 qm groß, dahinter ein Arbeitsraum und auf dem Hof ein Schuppen mit Gerätschaften.
Die Milch wurde lose verkauft aus großen schweren Metallkannen, mit Messbechern abgefüllt. Blitzsauber war es in dem kleinen Geschäft. Hinter der über Eck stehenden Theke mit Glasplatte, über die ich als Kind nicht schauen konnte, stand Frau Puls sen.. Unterhalb der Platte konnte man die ausgestellten Käse, Quark, vielleicht sogar Wurst (ich weiß das nicht mehr) sehen. Joghurt und Saure Sahne gab es damals noch nicht im Handel. Die „Dicke Milch“ stellte man selber her, indem man die Vollmilch in flachen Gefäßen säuern ließ. Sie wurde nach ein paar Tagen an der Luft fest und mit darüber gestreuten Brotkrumen und Zucker gegessen.
Wir kauften nur Vollmilch und zuweilen Buttermilch. Wer besonders gesund leben wollte, meinte das mit der Glinder „Vorzugsmilch“ vom Gut Glinde tun zu können – natürlich teurer – in Weißglas-Flaschen mit Stanniolverschluss.
Gab es Besuch, holten wir Schlagsahne. Dann stand Frau Puls an einer elektrischen Maschine und setzte Quirle in Bewegung, die die Sahne schlugen. Nach Gewicht wurde verkauft und die leckere Sache in einer speziellen, länglichen gewellten Pappschachtel, in Papier eingewickelt, nach Hause getragen.
Butter gab es, wenn ich mich recht erinnere, aus einem Holzfass, herausgeholt mit einem geriffelten Holzspachtel, zwischendurch in kaltes Wasser getaucht und in Butterbrotpapier verpackt. Wann sich die Familie Puls entschloss, die Ware auch zu den Leuten zu bringen, weiß ich nicht. Jedenfalls wurde mir erzählt, dass es das Ehepaar Puls sen. bereits tat und bei einigen Kunden die Milch auch ans oder hinter das Haus stellte. Ich erinnere mich nur an Otti Puls, den Sohn, der durch den Ihnenpark fuhr und die Glocke schwang. Aus den Türen kamen dann die Hausfrauen und holten ihren Bedarf an Milch.
Otti saß hinten in seinem Auto und schöpfte per Hand die Milch in die mitgebrachten Gefäße. Und wieder ist hervorzuheben, dass alles blitzsauber war, dass man nicht aus hygienischen Gründen meint, die Nase rümpfen zu müssen. Neben der Milch gab es auch andere Produkte zu kaufen . Es versteht sich von selbst, dass ein Klönsnack mit dem Milchmann, gleichzeitig Informationsquelle, und mit den anderen Käufern beliebt war.
Als Zeichen anderer Zeiten wurde Otti später untersagt, zu bimmeln: stattdessen drückte er auf die Hupe. Übrigens höre ich ihn an heißen Sommertagen noch stöhnen, dass die schönen schattenspendenden Bäume beim Straßenbau im Prahlsdorfer Weg und in der Schützenstraße gefällt wurden. Da war die Verkaufstour oft eine schweißtreibende Angelegenheit.
Eine andere Erschwernis gab es im Winter, wenn nämlich der Berg in der Bernhard-Ihnen-Straße hinunter zur Bille-Brücke glatt war, durch rodelnde Kinder noch schlüpfriger, und der Wagen nur mit Mühe die Höhe erklimmen konnte.“