Von Schafzucht, Branntwein und der Rüstungsindustrie – Eckart Bünning erzählt aus der bewegten Geschichte des Karolinenhofes:
Gut Karolinenhof ist aus der Rheinischen Schäferei hervorgegangen, die vom Herzoglich Holstein-Gottorpschen Amt Reinbek betrieben wurde. Die Schäferei wurde auf Hinschendorfer Gemarkung am Ostrand der Hölzung Großkoppel errichtet. Der Forst Großkoppel war Teil des Urwaldes Asbrook.
Die Schäferei wurde erstmals 1614 erwähnt, als das Amt die Wolle von den Rheinischen Schafen verkaufte. Der Schäfer erhielt den fünften Pfennig des Erlöses. Die Herde umfasste nur Tiere der Rasse Rheinische Schafe, daher der Name der Schäferei. Etwa 200 Schafe wurden hier gehalten. Die robuste Schafrasse war wohl besonders geeignet, auf den infolge der jährlich wechselnden Fruchtfolge abgeernteten Feldern zu weiden. Nach dem Erdbuch von 1706, in dem die Ländereien beschrieben sind, wurde auf den nach der Ernte zur Schafweide dienenden Feldern im ersten Jahr Buchweizen, dann im zweiten Jahr „Mistroggen“ oder „fetter Roggen“ auf den mit Stallmist oder Heideplaggen gedüngten Boden gesät. Im nächsten Jahr folgte ohne Düngung „magerer Roggen“, danach Hafer und im nächsten Jahr noch einmal Hafer.
In späteren Jahren wurde die Schäferei unterverpachtet. 1704 hatte der Besitzer von Gut Silk, Capitain Schulz, die Pacht gegen Zahlung einer nicht unbeträchtlichen Abgabe. Als Gegenleistung bekam er einige Fuder Heu für die Winterfütterung. Er war verpflichtet, hier und in der Heideschäferei in Schönningstedt insgesamt 400 Schafe auf eigene Rechnung zu halten.
Aus der Rheinischen Schäferei wurde ein landwirtschaftlicher Gutsbetrieb, als 1773 die Ländereien des Großfürstlich Holsteinischen Vorwerks Hinschendorf aufgeteilt und aus dem Staatsbesitz verkauft wurden. Die Schäferei war mit andern Ländereien zusammengelegt und als eine Parzelle abgeteilt worden.
Die häufig wechselnden Besitzer konnten mehrmals ihren Besitz durch Zukauf von Land vergrößern. Baron Otto Reinhold Klingspor, Königlich Schwedischer Obristen-Lieutnant und damaliger Besitzer, erhielt 1797 die Genehmigung, seinen Besitz „Carolinenhof“ zu benennen. Wieso er das Gut so nannte, ist unbekannt. Die Schreibweise ist heute „Karolinenhof“.
Johann Trittau konnte als neuer Besitzer 1800 den westlich gelegenen Hof Schönhorst, eine ehemalige Baumkate, von Hans Rathje jun. kaufen. Er errichtete auch 1820 eine Branntweinbrennerei.
Gutsbesitzer Lingmann auf Hinschendorf konnte 1878 Karolinenhof aus Konkurs erwerben.
Als Baron von Cramm 1884 Besitzer von Gut Hinschendorf wurde, kaufte er gleichzeitig einige Ländereien vom Gut Karolinenhof und legte sie zu Gut Hinschendorf.
Rudolf Banks, Gutsbesitzer aus Glinde, erwarb 1890 Karolinenhof und verband die westlich vom Glinder Weg gelegenen Ackerflächen mit seinem Gut Glinde. Damit hatte das Gut Karolinenhof praktisch aufgehört zu existieren. Von den ehemals 126 Hektar blieb eine Restfläche von etwa 4 Hektar für Herrenhaus, Park und Hofanlagen.
Der eigentliche Karolinenhof wurde von nun an als Wohnsitz genutzt. Zusammen mit einigen im Staatsforst Großkoppel gelegenen Teilen wurde das Gelände 1936 von der Kurbelwellenwerk GmbH. erworben. Im Wald entstand das Kurbelwellenwerk („Kuha“ genannt), als umfangreicher Rüstungsbetrieb der Firma Krupp, versteckt unter Bäumen gebaut. Das Herrenhaus Karolinenhof wurde umgebaut zu einem komfortablen werkseigenen Gästehaus.
Für den Betrieb des Kurbelwellenwerkes benötigte man mehrere hundert Arbeitskräfte, die aus ganz Norddeutschland angeworben wurden. Für sie sollte eine Wohnsiedlung gebaut werden. Die Gemeinde Reinbek konnte dafür kein geeignetes Gelände zur Verfügung stellen, im Osten von Oststeinbek war geeignetes Land vorhanden. Durch eine Verschiebung der Gemeindegrenzen fiel das Oststeinbeker Land und das Reinbeker Gelände, auf dem das Kurbelwellenwerk gebaut wurde, zusammen mit dem Karolinenhof an Glinde. Durch die Gewerbesteuer vom Kurbelwellenwerk konnte die Gemeinde Glinde nun die erforderliche Infrastruktur für die Kruppsiedlung, die etwa 120 Siedlungshäuser auf großen Grundstücken umfasste, schaffen und auch Schulen, Verwaltung und kommunale Einrichtungen dem Bedarf anpassen.
Nach Kriegsende wurden im Werk alle Maschinen, Dreh- und Fräsbänke, Schleif- und Poliermaschinen, die großen hydraulischen Gesenke und Schmiedepressen sowie alle Werkbänke mit den Werkzeugen von der Besatzungsmacht beschlagnahmt und demontiert. Die Werkhallen wurden zusammen mit dem ehemaligen Heereszeugamt in Glinde als Nachschubbasis für die in Norddeutschland stationierten britischen Besatzungstruppen genutzt.
Der Karolinenhof diente nun für einige Jahre den englischen Besatzungstruppen als Offizierskasino. Nach der Rückgabe 1953 wurde es Sitz der Gebäudeverwaltung für die noch dem Kruppkonzern gehörenden 17 Werkhallen und 10 weiteren Gebäude des ehemaligen Kurbelwellenwerkes. Inzwischen ist der Karolinenhof in Privatbesitz übergegangen.
Ende 1953 ging die Besatzungszeit zu Ende. Die Werkhallen und weiteren Gebäude wurden völlig leer geräumt an den Eigentümer zurückgegeben. Als sich die Frage nach der zukünftigen Verwendung stellte, ergab sich, dass die Kirchbachschen Werke in Düsseldorf Interesse zeigten. Der Betrieb befasste sich seit 1915 mit der Herstellung und Weiterentwicklung von Brems- und Kupplungsbelägen für Fahrzeuge. Sie fusionierten mit der Kurbelwellenwerk GmbH und übernahmen 1957 mit dem Umzug von Düsseldorf unter dem Namen „Jurid Werke GmbH“ in den Gebäuden des ehemaligen Kurbelwellenwerkes die Fertigung von Brems- und Kupplungsbelägen.