Der Radfahrerverein hat einst im kulturellen Bereich des Ortes Reinbek einen beachtenswerten Platz eingenommen. Aus den leider nur spärlich vorhandenen Unterlagen und Erzählungen ehemaliger Mitglieder wurde dieser Bericht von Eckart Bünning zusammengestellt.
In Reinbek fanden sich im Jahre 1906 ein paar interessierte junge Leute und gründeten den Arbeiter-Radfahrerverein ‘Vorwärts’ Reinbek. Sie schlossen sich dem zentralen Arbeiter- und Radfahrerbund „Solidarität“ an, der später um die Kraftfahrersparte erweitert wurde.
Der Reinbeker Radfahrerbund war ebenso wie der Dachverband ‘Solidarität’ politisch an der Arbeiterbewegung orientiert. So ist es nicht verwunderlich, dass die Mitglieder überwiegend in den Wohnquartieren der Arbeiter zu Hause waren, nämlich im Reinbeker Ortsteil Prahlsdorf und im damaligen Dorf Schönningstedt.
Die Aktivitäten erstreckten sich zunächst auf reine Wanderfahrten. Große mehrtägige Touren führten durch ganz Deutschland. Bei dieser Gelegenheit traf man sich mit vielen gleichgesinnten Gruppen und knüpfte Kontakte und Freundschaften. Der Verein finanzierte sich aus Mitgliedsbeiträgen, Zuwendungen von Förderern und aus Eintrittserlösen von Geselligkeits- und Tanzveranstaltungen, bei denen mit den vorhandenen bescheidenen Möglichkeiten radsportliche Vorführungen geboten wurden. Aus den Einnahmen konnte man sich bald einige zum Kunstfahren auf dem Saal geeignete Spezialfahrräder anschaffen. Fachlich werden diese Räder ‘Saalmaschinen’ genannt. Sie hatten eine direkte Übersetzung und man konnte mit ihnen vor- und rückwärts fahren. Die Veranstaltungen zogen zahlreiche Zuschauer an und sind bei älteren Mitbürgern noch in guter Erinnerung.
Die Arbeitersportverbände wurden 1933 kurzerhand verboten und mit den Saalmaschinen auch das Vermögen des Reinbeker Vereins eingezogen.
Nachdem einige der alten Mitglieder aus dem Kriege zurückgekehrt waren, lebte im Jahr 1946 der Reinbeker Ortsverein unter dem traditionellen Namen ‘Vorwärts’ wieder auf und schloss sich dem ebenfalls wieder gegründeten Dachverband ‘Solidarität’ an Aus Schönningstedt und Reinbek fanden sich 20 aktive Mitglieder, außerdem gaben zahlreiche Förderer einen finanziell sicheren Rahmen. Der Verein verfügte über sechs Saalmaschinen, davon waren vier Reigen- und zwei Kunstfahrmaschinen. Reinbek hatte damit wieder eine aktive und erfolgreiche Radsportgruppe. Bei zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen, auf Bällen bei Fürböter und im ‘Schützenhof’ sowie bei Konzerten führte die Gruppe ihr Können vor und fand Interesse und Beifall der Zuschauer.
Neben den Besuchern aus der Reinbeker und Schönningstedter Einwohnerschaft kamen Gäste aus den benachbarten Vereinen aus dem Hamburger Umland. Überhaupt fand ein reger Austausch mit gegenseitigen Besuchen und Wettbewerben unter den Ortsvereinen statt.
Durch die Zugehörigkeit zum Bundesverband hatten die Reinbeker die Möglichkeit, an Landes- und Bundeswettbewerben teilzunehmen. Sie waren erfolgreich und belegten 1955 bei Deutschen Meisterschaften im Saalsport den 3. Platz im Kunstreigen, wurden 1956 Landesbester im Kunstfahren und nahmen 1957 noch einmal an einem überregionalen Wettbewerb in Bramsche teil.
Das 50-jährige Jubiläum konnte der Verein 1956 in einem festlichen Rahmen begehen. Den Auftakt bildete ein großer Jubiläumsball im ‘Schützenhof’.
Am Festtag führte eine viel beachtete Korso-Fahrt auf bunt geschmückten Rädern durch die Stadt zum Vereinslokal. Nach einigen Ansprachen und Glückwünschen folgten in bunter Reihe Vorführungen befreundeter Radsportvereine und der Reinbeker Mannschaft, in denen noch einmal die ganze Palette der Kunstradfahrer gezeigt wurde. Die Darbietungen im Einer-, Zweier- und Viererkunstfahren, Vierer-Kunstreigen, Vierer-Steuerrohrreigen sowie Sechser-Einradreigen fanden großen Beifall. Das festliche Ereignis endete am Abend mit einem großen Festball.
In den folgenden Jahren verließen nach und nach einige aktive Fahrer den Verein. Sie waren arbeitslos und verzogen in andere Gegenden Deutschlands oder wanderten nach Amerika aus. Die Lücken konnten nicht wieder aufgefüllt werden. Junge Leute zeigten kein Interesse, diesen Sport weiter zu betreiben, und so löste sich der so erfolgreich gewesene Verein auf.