Im Juni 2019 erhielt der Geschichts- und Museumsverein Reinbek aus dem Archiv der Maria-Magdalenen-Kirche die alte Kriegervereinsfahne für seinen Fundus.
Hier nun einiges zur Geschichte und zum Aussehen dieser Fahne:
In der Kaiserzeit mussten Reservisten jährlich 2 Kontrollversammlungen besuchen: Im April und im November. Bei der Kontrollversammlung am 17.4. 1887 in Reinbek, Kreis Stormarn, fassten mehrere Kameraden den Entschluss, einen Verein zu gründen. Die Bergedorfer Zeitung meldete am 2.7. 1887. Reinbek: „Aus hiesigen Mannschaften der Reserve und Landwehr, die nach den Jahren 1870/71 ihrer Militärpflicht genügt haben, hat sich eine ‚Militärische Kameradschaft von 1887 [zu Reinbek]‘ gebildet. Die Statuten des Vereins haben die behördliche Bestätigung erhalten.“ Sie erfolgte durch den Kirchspielvogt Louis Meyer. Vorsitzender wurde der Tischlermeister Carl Franck, Schriftführer der Krämer Joseph Pohl und der Postbote Julius Uhl Kassierer. Die erste Versammlung fand am 9. Juli 1887 in der Gastwirtschaft ‚Zur Schmiede‘ statt. (Die Vereinsprotokolle von 1887 bis 1936 befinden sich im Reinbeker Stadtarchiv, Archiv-Nr.II/308.) Über die Abzeichen und Tätigkeiten des Vereins berichtet der Artikel „Das Kriegsvereinswesen in Reinbek und seine Abzeichen“ in den „Reinbeker Geschichten“.
Im Jahre 1890 hatte Reinbek 1320 Einwohner, 54 Mitglieder umfasste die Militärische Kameradschaft von 1887. Obwohl der Monatsbeitrag nur 40 Pfennig betrug, sollte sobald als möglich eine Fahne angeschafft werden. Dazu war zunächst ein Gesuch an den zuständigen Landrat des Kreises Stormarn in Wandsbek zu richten. Der Landrat wurde gebeten, das Gesuch bei der Königlichen Regierung in Berlin zu befürworten.
„Dem Gesuche sind beizulegen:
1. Die Vereinsatzungen. Sie müssen den Normalsatzungen entsprechen, sonst wird das Gesuch beanstandet.
2. Eine möglichst handliche Zeichnung von beiden Seiten der Fahne.
3. Ein Mitgliederverzeichnis.
4. Ein Vereinsabzeichen. (Dies darf zu Verwechslungen mit staatlichen Orden und Ehrenzeichen keinen Anlass geben.)“
[Quelle: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Westphal: Handbuch für die Kriegervereine des Preußischen Landes-Kriegerverbandes, Berlin 1917.]
Für die Darstellungen auf dem Fahnentuch gab es genaue Richtlinien. Die Wahl der Fahnenfabrik und die Höhe des Kostenaufwandes blieben dem Verein überlassen. Am 13.8. 1892 genehmigte das Kriegsministerium und das Innenministerium der Reinbeker Kameradschaft die Führung einer Fahne. Mit der Herstellung wurde die Fahnenfabrik Franz Reinecke in Hannover betraut; die Kosten sollten höchstens 300 Mark betragen. Die Firma Franz Reinecke wurde 1876 gegründet und gehörte bald zu den namhaften deutschen Fahnenfabriken. Zeitweilig hatte sie mehr als 300 Mitarbeiter, belieferte die Kaiserliche Marine und Fürstenhäuser. In den 30er Jahren wurde der Sitz nach Mellendorf verlegt, wo die Firma bis 2008 tätig blieb.
So sieht die Fahne aus: Auf der Vorderseite ist der heraldische preußische Adler dargestellt, umgeben von zwei farbigen Eichenzweigen, die unten mit einer roten Schleife verbunden sind. Über dem Adler ist mit Goldfaden eingestickt: verbunden sind. Über dem Adler ist mit Goldfaden eingestickt:
Gehorsam Treue Tapferkeit Unten: Des deutschen Kriegers Ehrenkleid! (Den Wahlspruch durften sich die Kameradschaften auswählen. Am häufigsten ist wohl ‚Mit Gott für König und Vaterland‘).
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Die Rückseite des Fahnentuchs zeigt die Reichsfarben schwarz-weiß-rot; die Beschriftung ist in Goldstickerei ausgeführt. Im schwarzen Feld steht: Militairische Kameradschaft; im weißen Feld: Reinbek; im roten Feld: von 1887. In den Ecken befinden sich gestickte Blatt-Arabesken. Mit 9 angenähten Karabinerhaken wurde das Tuch an der Fahnenstange befestigt. Die übrigen 3 Kanten tragen goldfarbene Fransen. 1928 ließ man die Fahne reparieren. Davon zeugt eine Stickerei auf der weißen Seite rechts unten: RENOV. FAHNEN-FLECK HAMBURG 3. Die Reinbeker Fahnenspitze besteht aus einem sogenannten ‚fliegendem‘ Adler, da er die Schwingen ausgebreitet hat. In einen Ring im Schnabel konnten Fahnenbänder eingehakt werden: Schwarze bei Begräbnissen, später das Fahnenband des PLKV bei Festen. |
Die Fahnenweihe
Bei der Firma F. Reinecke hatte man 500 Festabzeichen bestellt. Es waren Bänder mit 2 Sicherheitsnadeln und dem Aufdruck: Zur Erinnerung an die Fahnenweihe der Militair. Kameradsch. zu Reinbek am 11.Mai 1893.
Die Bergedorfer Zeitung brachte einen ausführlichen Festbericht: „Reinbek, 12. Mai. Die gestrige Feier der Fahnenweihe der hiesigen ‚Militärischen Kameradschaft‘ ist in der schönsten Weise verlaufen. Herrlicher Sonnenschein breitete sich über den freundlichen Ort, die Häuser waren mit Fahnen festlich geschmückt und über den Straßen hingen zahlreiche Guirlanden von frischem Grün und bunten Fähnchen. Gegen 3 Uhr nahmen die theilnehmenden Vereine, die einzeln nach dem Festplatze marschiert waren, in der von mächtigen hohen Buchen umstandenen ‚Lodden-Allee‘ Aufstellung. Gleich darauf überbrachten die Kampfgenossen von 1870/71 des Kirchspiels Steinbek mit der Kapelle des 31. Infanterie-Regiments an der Spitze die verhüllte Fahne. Der dirigierende Arzt des hiesigen ‚Sophienbades‘, Herr Dr. Hennings, welcher in der Uniform eines Stabsarztes der Marine erschienen war, hieß nun die erschienenen Kameraden herzlich willkommen, worauf Herr Pastor Glages die mit den drei Kaiserbüsten und frischem Grün geschmückte Rednertribüne bestieg, um die Weiherede zu halten. In einer warm empfundenen patriotischen Ansprache ermahnte der Herr Redner die Kameraden treu zu Kaiser und Reich zu stehen. Im Verlauf der Rede wurde die Fahne enthüllt und von dem Vorsitzenden des Bezirks Altona des Deutschen Kriegerbundes, Herrn Hauptmann Klaeber, dem Verein in einer kurzen Rede überreicht, worauf der Herr Amtsvorsteher Major Meyer gelobte, die Fahne solle stets als Symbol der Treue, Tapferkeit und Vaterlandsliebe dem Verein voranleuchten. Jetzt brachte der Herr Oberstlieutenant v.Derschau aus Altona das Hoch auf den Kaiser aus, in welches die Anwesenden kräftig einstimmten. Den Schluß der Feier bildete das von dem hiesigen ‚Gemischten Chor‘ unter Leitung des Herrn Lehrer Lorenzen in Bergedorf vorgetragene Lied ‚Mein Vaterland Germania‘, von F. Paccius. Hierauf marschierten die Vereine, 16 an der Zahl mit 12 Fahnen, nach dem Lokale des Herrn Wiesemann (‚Zur Harmonie‘), wo Gartenkonzert, Preisschießen und –Kegeln für Damen und Herren stattfand, dem sich am Abend ein Festball anschloß. … An dem Feste nahmen Theil … die Kampfgenossen vom Kirchspiel Steinbek, Schwarzenbek und Altona, die Militärischen Kameradschaften von Bergedorf, Sande Lohbrügge, Trittau und Wandsbek, die Milit. Brüderschaften von Altona, Bahrenfeld-Flottbek und OthmarschenOttensen.“
Von den 500 Festabzeichen ist bisher kein einziges wiederaufgetaucht. Der Materialwert war wohl zu gering!
Kriegervereine konnten mit ihren Fahnen zu Kaiser-Paraden zugelassen werden. Das war der Fall bei der Parade am 5. September 1904 bei Hamburg – Altona auf dem großen Exerzierplatz bei Groß-Flottbek – Lurup. Zwei Protokoll-Notizen beweisen, dass die Reinbeker Kameradschaft sich beteiligen durfte.
1899 war der Preußische Landes-Kriegerverband (PLKV) als Dachorganisation gegründet worden.
Das 25. Stiftungsfest wurde am Wochenende vom 15. -16. Juni 1912 in Reinbek gefeiert. Am 15. gab nachmittags das Musikcorps des Feldartillerie-Regiments Nr. 45 aus Altona ein Gartenkonzert. Es stellte auch die Kommers- und Ballmusik. Der offizielle Kommers abends 8 Uhr verlief nachfolgendem Programm:
1. Musikstück.
2. Kaiserhoch; (Lied: Heil Dir im Siegerkranz.)
3. Begrüßung der Gäste; (Lied: Brüder reicht die Hand zum Bunde.)
4. Festrede.
5. Ehrung der Jubilare.
6. Reden nach vorheriger Anmeldung.
Am Sonntag, dem 16.6.1912 gab es folgende Veranstaltungen:
9.40 Uhr: Antreten im Restaurant des Park-Hotels zum Kirchgang.
3.45 Uhr: Antreten im Restaurant des Park-Hotels zu einem Festakt, „woselbst der Herr Landrat gegen
4.15 Uhr einen Allerhöchsten Gnadenbeweis übermitteln wird.“ (Landrat Detlef von Bülow überbrachte das Fahnenband des PLKV, das unten ausführlich beschrieben wird.) Bei diesem Festakt wurden wohl auch die anderen 8 Fahnennägel überreicht.
5 Uhr: Festessen. Es bestand aus 6 Gängen!
8 Uhr: Festball.
Auf der schwarzen Fahnenstange befinden sich seitdem 8 verliehene oder gestiftete Fahnennägel. Fahnennägel sind Metallplaketten, die bei Festlichkeiten gestiftet und auf die Fahnenstange genagelt werden. Die Plaketten sind mit den Namen der Stifter geprägt oder graviert und häufig dekorativ gestaltet. Die Militairische Kameradschaft zu Reinbek erhielt von folgenden Vereinen Fahnennägel: Sander Militairische Kameradschaft; Verein Deutscher Jäger Hamburg (siehe Abb.); Kirchspiel Steinbek: Kampfgenossenverein von 1870/71; Bergedorf: Militärische Kameradschaft von:1883; Wentorf: Militärische Kameradschaft von 1895; Militärischer Verein von Wohltorf/Villenlamp/Aumühle/Friedrichsruh; Bergedorfer Offizier Verein. |
Oben an der Stange sitzt der „königliche“ Fahnennagel, der ein gekröntes preußisches Wappen trägt und das schwarz-weiße Fahnenband hält. Dieses Fahnenband wurde für das 25jährige Bestehen verliehen. Die Bandlänge beträgt 75 cm (einschließlich der silbernen Fransen), die Breite 12,5 cm. Im Schnabel des Adlers an der Spitze der Fahnenstange befindet sich noch ein besonderes Band, das sogenannte „Kaiserband“:
Kaiser und König Wilhelm II. stiftete 1903 für Marine-Vereine im Preußischen Landes-Kriegerverband ein besonderes Fahnenband. 1904 wurde es allen Vereinen des PLKV zugänglich. Das Fahnenband des Preußischen Landes-Kriegerverbands sieht aus wie eine große Schleife mit 2 langen Bändern. Die Schleife ist 26 cm breit, die langen Bänder (inklusive Schleife und Fransen) 85 cm lang. Das Fahnenband besteht aus gefüttertem weißem Rips von 10 cm Breite.
Der „Knoten“ der Schleife ist mit dem heraldischen preußischen Adler bestickt und wird als „Fahnennagel“ bezeichnet. Die langen Bänder und die Schleife haben auf der Vorderseite seitliche schmale schwarze goldumrandete Streifen. Das linke Band trägt die schwarze Inschrift: Preußischer, das rechte die Inschrift Landes-Kriegerverband. Am unteren Ende auf der Vorderseite der Bänder befindet sich jeweils ein 15 cm hohes Feld, das mit großen goldenen Initialen bestickt ist; linkes Band: FR mit weiß unterlegter Königskrone; rechtes Band: WR II mit rot unterlegter Königskrone. Die Initialen sind mit Verzierungen umgeben. Beide Bänder haben goldene Fransen (bei der Reinbeker Fahne fehlen sie am rechten Band).
Auf der Rückseite sind beide Bänder schlicht weiß und tragen folgende schwarze, gedruckte Inschriften,
rechtes Band: Zum 25-jährigen Stiftungsfeste gewidmet – linkes Band: vom Kreisausschuss des Kreises Stormarn. (Der auf der Rückseite genannte Kreisausschuss bestand aus dem Landrat und 6 vom Kreistag gewählten Mitgliedern.) Das Band wird mit einem Karabinerhaken, der sich an der hinteren Platte des Fahnennagels befindet, an einem Ring im Schnabel des Adlers befestigt. Alleiniger Hersteller dieser Fahnenbänder war die Firma Rudolph Hertzog, Berlin C.2, Breitestr. 15. Wegen der Allerhöchsten Verleihung sprach man in Reinbek vom ‚Kaiserband‘. Und wie kamen die Reinbeker zu dieser Ehre? Sein großes Interesse für „die Armee im Bürgerrocke“ hatte Wilhelm II. häufig bekundet. Aber vielleicht hatte man sich daran erinnert, dass die Reinbeker am 19. Februar 1894 Spalier gestanden hatten, als der Kaiser den Fürsten Bismarck in Friedrichsruh besuchte.
Adler an der Spitze Kaiserband Nach dem Fest fertigte Tischlermeister Franck einen neuen Fahnenschrank an. Das 130 x 140 cm große Fahnentuch besitzt angenähte Ringe an der oberen Kante, mit denen es aufgehängt werden kann. Der Schrank wurde mit 500 Mark gegen Feuerschaden versichert. 1914 stiftete Rechtsanwalt Carl Bähr einen Brustschild für den Fahnenträger, der leider nicht mehr vorhanden ist.
Text: Ludwig u. Gerhild Arndt
Bilder: Gerhild Arndt