Manfred Schuster verlebte seine Kindheit in Reinbek am Schmiedesberg – er kann viel darüber erzählen, aufgeschrieben hat er es in den 1990er Jahren.
„Actiones qui fieri solent. Soccessione temporum a memoria mortalium elabuntur, nisi scritto….
Handlungen die alltäglich geschehen, entfliehen mit dem Lauf der Zeit dem Gedächtnis der Menschen, wenn sie nicht aufgeschrieben werden…“
Herzog Adolf IV. von Schauenberg in einer Urkunde des Jahres 1229
Meine Kindheit am Schmiedesberg (2/8)
Das Kopfsteinpflaster auf dem Schmiedesberg, welches heute noch da ist, war zu meiner Zeit auch schon da, nur etwas glatter und nicht so wellig. Das Haus Nr. 16 lag oberhalb des Berges auf gerader Ebene. Rechts war das Haus der Familie Bolsen. Das Haus war früher, vor meiner Zeit, eine Mädchenschule. Familie Bolsen hatte dort ein Blumengeschäft. Herrn Bolsen habe ich noch in guter Erinnerung, denn er gehörte zur Freiwilligen Feuerwehr in Reinbek, und jedes Mal, wenn die Sirene ging, rannte er los. Die Uniform halb angezogen, den Helm und die Axt in den Händen.
Die Bolsens hatten drei Kinder in meinem Alter, der Junge hieß Gerd, die Mädchen Helga und Karin, wir haben als Kinder öfter zusammengespielt. Frau Bolsen war eine große, starke Frau mit kräftiger Stimme. Als Kind fiel mir auf, dass sie sonntags immer regelmäßig in die Kirche ging. Ich meine, sie war eine gläubige Frau.
In dem Haus befand sich als weiteres ein Milchladen. Man musste zwei, oder drei Stufen runter gehen und war in dem Milchladen von Fräulein Gothe. Diese Frau war klein, etwas dicklich und ging nach vorne übergebeugt; sie war herzlich und nett zu uns Kindern. Als kleiner Junge habe ich dort oft Milch geholt, zuerst mit meiner Mutter, später alleine.
Dieser Milchladen wurde später von einer Familie Kopetsch übernommen und geführt. Von diesen Leuten kann ich nicht viel erzählen, außer, dass mein Freund Olaf und ich den Mann öfter in seiner Mittagspause gestört haben, weil wir gerade 10 Pfennige hatten und dafür Bonsche oder ein Glas Milch kaufen wollten. Wir haben dann solange vorne am Laden geklingelt, bis er kam und aufmachte.
In diesem Haus Schmiedesberg 14 wohnten noch einige Familien, aus meiner kindlichen Sicht waren es überwiegend alte Leute. Ich erinnere mich an eine ältere Frau mit dem Namen Potratz, die mehrmals am Tag quer über die Straße ging zum Schmiedesberg 17 zur Frau Klein; ich glaube Frau Klein war ihre Tochter. Frau Klein hatte einen Sohn der Werner hieß und einen Buckel hatte. Werner Klein habe ich nicht oft gesehen, er war meistens nicht da. Frau Klein lebte mit einem Mann zusammen der Karl hieß. Frau Potratz pendelte nun mehrmals täglich mit irgendwelchen Töpfen oder Pfannen zwischen den Häusern hin und her.
Als weiteres wohnte ein Ehepaar im Haus, das Brünning hieß, die einen Kleinwagen hatten. Ich meine, es war ein Lloyd. Dieses Auto stand immer vor dem Haus und wurde von Herrn Brünning ständig geputzt und gepflegt. Dabei murmelte er vor sich hin, was für ein tolles Auto er wohl hätte. Links neben dem Haus lag etwas höher der Hof, auf dem wir Kinder oft gespielt haben. Nach hinten hin zum Grundstück von Dr. Kürff, dem Frauenarzt, das schon zur Parkallee gehörte, standen Holzschuppen in einer Reihe an der Grenze. Das Schuppengebäude hatte ein Flachdach und war mit Dachpappe gedeckt, die Holzteile waren dunkel mit Carbolineum gestrichen.
In dem Haus von Dr. Kürff wohnte in den frühen 1950er Jahren die Familie Krause, das waren Herr und Frau Krause. Den Namen des ältesten Sohnes habe ich vergessen, ich meine wir nannten ihn Mager, weil er so dünn und mager war. Der zweite Sohn hieß Gerdi, und fuhr später zur See als Stuart, der dritte Sohn war Wilfried mit dem ich dann zur Schule ging. Dann waren da noch Margit und Horst, die aber noch sehr klein waren. Die Krauses zogen schon ziemlich früh in die Hamburger Straße in eine alte Villa. Diese alte Villa lag zwischen dem Küpergang (hinter dem Sachsenwaldtheater) und der damals neu gebauten Katholischen Kirche. Auf Wilfried Krause und die Familie komme ich später noch mal zurück.
Auf der gleichen Straßenseite im Schmiedesberg, schon etwas den Berg runter, war das Haus von dem Rundfunk- und später Fernsehhändler Weichmann. Der alte Weichmann war ein großer und unfreundlicher Mann. In den frühen Jahren meiner Kindheit hatte ich keinerlei Berührungspunkte mit Weichmanns.
Mit dem Haus, noch etwas weiter den Berg runter, nämlich Schmiedesberg 10 verbinde ich angenehme Erinnerungen hier war die Bäckerei Tiburg. An die Schnecken, Amerikaner und Baisers, die mir vorzüglich schmeckten, erinnere ich mich besonders gerne. Es gab dort ein ganz besonderes Dessertstück, das „Bombe“ genannt wurde. Es war ein pyramidenförmiges, festes Sahnestück mit Schokoladenüberzug, dieses schätzte ich ganz besonders. Frau Tiburg, die im Laden bediente, war eine nette und freundliche Frau. Es war da noch ein Sohn, der aber ca. 10 Jahre älter war als ich, der uns Kinder manchmal wegjagte, wenn wir hinter dem Haus rumtobten und Lärm machten.
In dem Haus wohnte noch eine kleine, dicke Frau Irene Bisse. Besonders angenehm war sie nicht, aber da sich Bisse so gut mit Pisse reimte, haben wir sie das auch wissen lassen. Dieses Grundstück hatte einen ganz besonderen Reiz, man konnte vom Schmiedesberg am Haus vorbei laufen zur Parkallee und in die Wildkoppel, es war eine angenehme Abkürzung.
Das Haus Schmiedesberg Nr. 8 wurde gebaut, als ich ungefähr 4 oder 5 Jahre alt war. Es ist ein Mehrfamilienhaus mit einem kleinen Geschäft. In dem Geschäft war der Kürschnermeister Reihe, den ich erst sehr viel später kennen lernte, als wir in die Soltaus-Koppel zogen.
Ein Haus weiter den Berg runter, Schmiedesberg Nr. 6, ist das „Haus Scharnberg“. Ich kann mich nur erinnern, dass diese Pension von zwei älteren Damen geleitet wurde, die eine hieß auch Scharnberg. In dieser Pension wohnte ein Mädchen in meinem Alter, Sylvia-Maria von Bomsdorf. Sie ging auch mit mir in die 1.Klasse, und sie war meine erste Freundin. Wir haben ein paar Jahre oft zusammengespielt, meistens Vater, Mutter und Kind mit allem Drum und Dran. Ich meine, eine der älteren Damen war ihre Großmutter, ihre Eltern waren jedenfalls nicht da.
Als ich 7 Jahre alt wurde, war sie plötzlich verschwunden, später habe ich erfahren, dass sie nach Spanien gegangen war, wohl zu ihren Eltern. Ich mochte sie sehr gerne, und kann mich auch nach 40 Jahren noch gut an sie erinnern. Das Haus ist ein kleines, hübsches Gebäude, hatte aber komischerweise außerhalb noch Plumpsklos.