Dieses sind die Erinnerungen einer alten Reinbekerin – aufgezeichnet und niedergeschrieben im Winterhalbjahr 1983/84 von Ulrich Troll (1920 -1994)
ELSE SCHARNBERG (1898 -1994)
Teil 4/4
Zurück zum Schmiedesberg.
Im Böhmischen Haus besaß Herr Gäth eine kleine Fahrradreparaturwerkstatt mit Wohnung. Zu seiner Unterhaltung spielte in seinem Laden den ganzen lieben langen Tag hindurch ein altes, riesiges Grammophon mit noch größerem Trichter. Der Lärm war nicht zum Aushalten, und so mancher Nachbar hat sich des Öfteren beschwert. Die Ladentür stand immer offen, so dass ständig die laute Musik durch die Gassen dröhnte. Wir Kinder versuchten, ihn aus seiner Wohnung herauszuklingeln, was ihn maßlos ärgerte, denn sie lag ganz oben unter dem Dach!
In demselben Haus wohnte auch der Elektriker Pichinot, der sich aber später ein schönes Haus am Schmiedesberg, neben der Bäckerei Bisse, baute. Heute befindet sich das Fernsehgeschäft Siegfried Weichmann dort, es musste verkauft werden, weil der spätere Geschäftsinhaber, Heinz Pichinot, verstarb.
Unten, an der Ecke Schmiedesberg – Bergstraße besaß der Schuster Rathmann einen Laden, den dann später der Buchhändler Erdmann übernahm. Nach dem 1. Weltkrieg baute sich Herr Erdmann eine Buchhandlung in der Bahnhofstraße. Im Laufe der Jahre nahm sie einen großen Aufschwung. Da er aber keine Kinder hatte, verkaufte er das ganze Haus mit Druckerei an Herrn Meinel, der das Geschäft noch weiter modernisierte. Ebenfalls unten an der Schmiedesberg-Ecke führte Frau Frank einen schönen Handarbeitsladen. Sie selbst stickte für ihre Kunden wunderschöne Namenszüge in die Aussteuerwäsche. Ihr Mann war Tischler, und ihre Tochter, Anita Popp, hat diese Stickerei bis heute beibehalten.
Auch der alte Tietjen wohnte in dem Haus, er wanderte, mit einem Stock versehen, Tag für Tag durch Reinbeks Gassen, für alle Welt gut erkenntlich durch seinen riesigen Rauschebart. Der Besitz wurde dann von Mense gekauft und zu einem Kolonialwarengeschäft umgebaut. Er war ein recht schwieriger Mann, der, sowie ihm etwas nicht passte, sofort lospolterte. Wie schon beschrieben, hat dann A. Ellermann den gesamten Komplex gekauft und umgebaut.
Weit, bevor Bethause sich das Haus Bahnhofstraße-An der Wildkoppel baute, stand dort die alte Försterei, der Förster hieß Exner. Es war ein altes Gebäude und passte gut in den Rahmen der Umgebung. Späterer Nachfolger war der Schneider Röpke. Vor der alten Försterei stand die Friedenseiche, umgeben mit Betonpfählen und Eisenkette, gedacht zum Schutz für die Eiche, genutzt als Schaukel für uns Kinder!
Herta Becker mit ihrem kleinen Friseursalon und Hans Kühl mit seiner Schuhmacherei waren weiter Bewohner des damaligen Mensischen Hauses.
Alle diese Geschäfte Reinbeks aus der damaligen Zeit waren alltags durchgehend von 7 Uhr morgens bis 21 Uhr abends und sonntags ebenfalls bis 14 Uhr geöffnet.
Ich weiß noch, dass die Mädchen und Köchinnen der „Herrschaften“, wie man sie damals nannte, nachdem sie mit ihrer Arbeit abends fertig waren, ins Dorf gingen, um ihre Bestellung für den nächsten Tag bei den Geschäftsleuten aufzugeben. Dabei trugen sie gestreifte Kleider, weiße Schürzen um und gestärkte Häubchen auf dem Kopf. Im Sommer, wenn diese Geschäftsleute dann gemütlich und bei Petroleumlicht draußen vor der Tür saßen, kam immer ein kleiner Klönschnack auf, und die Bestellungen der Mädchen wurden entgegengenommen. Man musste sich die Sympathien der Köchinnen mit viel Liebenswürdigkeit erhalten und ihnen die Ware schmackhaft machen, denn die „Herrschaften“ waren sehr verwöhnt, da sie ihren vielen Gästen aus Hamburg mit großer Gastfreundschaft entgegenkamen. Allerdings bezahlte man die Ware nicht in bar, für jede Familie war ein Kontobuch eingerichtet, welches erst am Monatsende ausgeliefert wurde. Leider dauerte es oft recht lange, bis das Geld dann überwiesen wurde. Meine Großmutter Bisse saß meistens bis in die Nacht am Sekretär, um die Monatsbücher abzuschließen. Außerdem ist sicherlich auch oft etwas übersehen worden, denn kleine, geringe 5-Pfg-Beträge, die telefonisch bestellt waren, sind oft vergessen worden. Natürlich waren alle Geschäftsleute auf die Bezahlungen der Monatsbücher angewiesen, denn sie mussten davon nicht nur ihre Waren bezahlen, sondern darüber hinaus auch noch für den Erhalt ihres späteren Lebensabends sorgen. Mein Großvater überließ diese Arbeit seiner Dorette, obgleich diese bis spät abends hinter dem Ladentisch stand und am Rande noch 5 Kinder großzog. Oft hatte sie Kopfschmerzen. Zur Beseitigung schnitt sie eine Zitrone in 2 Scheiben und drückte sie an die Stirn. Sie war eine herzensgute Frau, bei jeder Kleinigkeit flossen vor Rührung ihre Tränen. Dagegen war mein Großvater ein stadtbekanntes Original. Nachmittags saß er in seinem Garten, oft besucht von dem damaligen Hamburger Schauspieler Albert Bassermann. Mein Großvater starb 1915 in meinem Haus, das war sein Wunsch, und er ist ihm auch erfüllt worden. Er wurde vom Hause aus beerdigt. Damals besaß Fuhrmann Niemann einen Trauerwagen, bestehend aus einem riesigen, schwarzen Kastenwagen mit hohen Säulen, die mit schwarze Franzen versehen waren, vorweg 2 in schwarze Decken gehüllte Pferde. So zog der Trauerzug zur Friedhofskapelle, gefolgt vom Pastor, von den Angehörigen, Verwandten und Freunden des Verstorbenen. Mein Vater war allerdings nicht dabei, denn er befand sich schon im Felde. Später ist er an die Ostfront verlegt worden, erlebte auch dort das Ende des Krieges und kam erst im Februar 1919 mit dem letzten Transport aus Russland zurück. Vorher hatte er noch seinen Sohn Rudi, der am 19.12.1918 an seinen schweren Verletzungen gestorben war, in Kiew beerdigt. Mein Vater kam sofort nach Lübeck ins Lazarett, wo er noch Monate verweilen musste. Diesen letzten Transport aus den Osten leitete der Reinbeker Arzt Dr. Anton Baumann, der als Militärarzt verpflichtet war und – nach längerer Erholungszeit – eine Praxis im Völckerspark eröffnete.
Während der gesamten Kriegszeit war Dr. Odefey als einziger Arzt in Reinbek vertreten. Auch in der Kommunalpolitik spielte er eine große Rolle, war Mitglied des Reinbeker Kirchenvorstandes, Gemeindevertreter und wurde auf Grund seiner Verdienste später zum Ehrenbürger Reinbeks erklärt.
Mein Vater hat seit Beginn des Weltkrieges nicht mehr in der Schule unterrichtet, denn nach dem Kriege wurde ja bekannterweise eine Militärregierung gebildet. Der Anführer hieß Buchholz. Die Genossen plünderten auch die Reinbeker Geschäfte. So nahmen sie aus der Bäckerei meines Großvaters allein 80 Schwarzbrote mit. Meinem Vater rissen sie am Bahnhof bei seiner Rückkehr aus dem Lazarett die Epauletten von seiner Uniform. Daraufhin nahm er seinen Lehrerberuf nicht wieder auf.
Außerdem hielt die rote Marine den Schnellzug Berlin – Hamburg in Friedrichsruh an, weil sie damit zurück nach Berlin wollte, um dort die Revolution auszurufen, was aber verhindert wurde. Meine Mutter erlebte das alles direkt mit, weil sie zu diesem Zeitpunkt gerade von einer Hamstertour aus Büchsenschinken zurückkam.
In den letzten Kriegsjahren war die Not sehr groß. Zum Sammeln von Bucheckern legten wir uns Matten unter die Knie, denn im November war es schon recht kalt. Der Ertrag wurde zu Geld gemacht. Zum Braten wurden Rüben genommen, das ganze Haus stank nach Rüben. Kleidung war nicht vorhanden, es gab sie nur auf Bezugschein – und das war in keinem Fall ausreichend. Der Schwarzmarkt blühte. Schuhe aus Leder gab es auch nur im äußersten Falle, verteilt wurden nur solche aus Heeresbeständen. Ein einziger Ofen wärmte das Wohnzimmer und aufgelegte Wärmesteine, die wir dringend benötigten. Denn die Schlafzimmer waren nicht beheizt, auf der Wasserkanne stand das blanke Eis!
Zur Schule trugen wir Kinder Bleyle-Kleider, die regelmäßig samstags mit Kaffee gereinigt und am Montag wieder sauber angezogen wurden, dazu Knopfstiefel. Sonn- und Festtags hatten wir Schottenkleider an, mit weißem Kragen und schwarzer Schärpe aus Taft sowie eine weiße Batistschürze und dazu immer lange, feingestrickte, schwarze Strümpfe – – man mochte sich gar nicht so gern bewegen!
Ich will hier noch einmal beschreiben, wie bescheiden alles war, auch in der Nachkriegszeit. Wie schon bekannt, hatten meine Eltern eine Pension und nahmen Kinder auf. Das war für sie mit großer Verantwortung verbunden, vor allem gegenüber den Eltern der Kinder, die fernab im Ausland wohnten. Wir selbst waren ja auch drei Kinder. Zu Hilfe stand meiner Mutter eine sehr nette Frau Johannesen, sie wohnte in Prahlsdorf in einer von den Katen. So oft Mutter Zeit hatte, fuhr sie mit dieser Frau und einem Blockwagen in den Vorwerksbusch, Erbsenbusch zu sammeln. Meine Eltern besaßen nämlich ein Stück Pachtland, welches dort lag, wo heute das leider nicht sehr schön aussehende Reinbeker Rathaus steht.
Wir Kinder besuchten öfters diese Frau Johannesen, deren Kinder barfuß im Garten spielten – nur bei strömendem Regen durften sie Schuhe oder Pantoffeln anziehen. Ich habe auch erlebt, dass die Kinder ein dickes Stück Schwarzbrot mit Apfelmus aßen, dabei waren sie gesünder als jene, die von Zuhause stark verwöhnt wurden. Ich habe mir dann auch ein Stück Schwarzbrot mit Apfelmus aufgestrichen – es schmeckte herrlich – und ich lebe heute noch! Das alles sind so kleine Erinnerungen, die man nicht vergisst und die auch zum Nachdenken anregen.
Zwischen den Weltkriegen war mein Vater Vorsitzender des Kyffhäuserbundes. Mitglieder waren alle jene, die am 1. Weltkrieg teilgenommen hatten. Es gab sogar einen uniformähnlichen dunklen Anzug mit Zylinder. Die Fahne des Kyffhäuserbundes trug der Kamerad Troll. Immer wenn ein Mitglied das Zeitliche gesegnet hatte und von ihm vorher testamentarisch ein entsprechender Vermerk gemacht worden war, gab ihm die gesamte „Militärische Kameradschaft“ das letzte Geleit. Dann marschierte das Musikcorps vor dem pferdebespannten schwarz ausgelegten Leichenwagen, schwere Trauermusik spielend im langsamen Tempo einherschreitend vorweg, dann die Fahne mit den drei Fahnenträgern, danach der 1. Vorsitzende, die Kranzabordnung mit dem Kranz, hinterher die Kameraden, alle mit Gewehren und dann erst die Trauergemeinde mit dem Pastor, den Leidtragenden und Angehörigen. Nach der Totenfeier in der Kapelle ging der Weg zum offenen Grab in derselben Reihenfolge, dort dann Fahnensenken und dreimaliges Salutschießen aus allen Gewehren. Auf dem Rückweg reihte sich dann die Gruppe Pauken und Bleche ein, deren Mitglieder sich bis dahin im, dem Eingangstor gegenüber befindlichen Buschwerk, versteckt hielten, und mit flotten Märschen und ebensolchen Schritten ging es in den Gasthof „Zur Schmiede“! Dort wurde dann, wie man so schön sagt, „Das Fell versoffen“.
Neben dem Fuhrgeschäft Niemann hatte Herr Thomas einen Barbierladen. Damals gab es noch keine Zahnärzte, deshalb zog er auch kranke Zähne ohne Betäubung mit der Zange aus! Übrigens geschah desgleichen bei den Milchzähnen der Schüler meines Vaters mittels eines Bindfadens.
Neben Thomas steht (auch heute noch) die Bismarck-Apotheke. Damals war sie die einzige in ganz Reinbek, ihr Besitzer hieß Wicke. Er versorgte die gesamte Umgebung mit Medikamenten, Pillen und Pülverchen, mit Gesundheittees und Retorten. Dabei verstand er es in meisterlicher Art, die Eigenfertigung dieser Pülverchen zu bewerkstelligen. Der Bereich ging bis Aumühle und Friedrichsruh.
Gegenüber der Apotheke wohnte der damalige Justizrat Bähr. Das Haus kaufte dann Frau Kolisch, die es ausbauen ließ, heute befinden sich in ihren Gemäuern allein vier Läden und etliche Wohnungen.
Weiter unten in der Bahnhofstraße steht das Haus von Loose mit dem kleinen Vorbau, in dem die Familie einen kleinen Tabakwarenladen betrieb. Heute ist es im renovierten Zustand eine Filiale der Bäckerei Vollrath. Durch die günstige Lage ist es zu einer richtigen Goldgrube geworden. Familie Loose, denen auch heute noch das gesamte Anwesen gehört, besaß zu meiner Kindheit dort ein Fuhrgeschäft. Man konnte Pferdeschlitten mieten, wurde in Decken gehüllt und in Fußsäcke gesteckt und – so verpackt – herrliche Fahrten durch die Schneelandschaft des Sachsenwaldes machen.
Im Hause Rathmann, der ein Feinkostgeschäft damals schon im Stil des Hamburger Delikatessengeschäftes „Heimerdinger“ aufgezogen hatte (und heute noch führt), wohnte auch eine Frau Schwertfeger. Sie besaß einen erstklassigen Hutladen, fertigte wunderschöne Gebilde an. Darunter kleine mit Veilchen und Blumen, sowie wagenradgroße mit echten Straußenfedern. Zur Seite stand ihr damals ein junges Mädchen – die heute 92jährige Frau Ohl. Aus Hamburg kamen die Damen und ließen sich die Modelle anfertigen – eine recht teure Angelegenheit.
Neben Rathmann lag die Krämerei von Kramer. In seiner typischen weißen Schürze stand er hinter dem Ladentisch, bediente mit ausgesuchter Höflichkeit seine Kunden, und wir Kinder bekamen immer einen Bonbon.
Zu den Freundinnen unseres Hauses gehörte auch Frl. Vogelsang. Sie ist geboren auf dem Zimmermannsplatz (Galgenhof), zog dann zum Schmiedesberg in das Loosische Haus gegenüber von Bisse, dann weiter in den Loosischen Besitz in der Bahnhofstraße. Ihr Vater war Fuhrunternehmer und kutschierte Herrn Specht vom Schloss zu den Jagden nach Friedrichsruh. Sie war eine Freundin meiner Schwester Martha und spielte gerne mit Puppen.
Die Buche vor dem Kolischen Haus hat ihr Bruder in eigenen Kosten ummauern lassen, denn sie sollte ursprünglich der Erweiterung der Straßenführung zu Opfer fallen, auch hat er für sie den Naturschutz erwirkt.
Gegenüber von Rathmann steht die Post – nach dem Umbau in jüngster Zeit ist es ein stattliches Haus geworden. Damals, gegenüber der alten Post, hatte Herr Kirsten in einer Baracke einen Friseursalon. Er war ein echtes Original und überraschte seine Kunden immer wieder mit den tollsten Witzen und Späßen und band ihnen oftmals kräftig einen Bären auf. So zum Beispiel Herrn Jensen, dem damaligen Bahnhofswirt, der eine Glatze zur Zierde seines Hauptes trug. Kirsten empfahl dem Wirt, zwecks Haarwuchs Meerrettich und Zwiebelsaft auf die Glatze zu schmieren – einen Erfolg konnte der Arme nicht verbuchen. Ebenfalls gehörte dem Herrn Kirsten das „Hotel zur Schmiede“, damals Gasthof von seiner Frau und Tochter geführt. Später wurde es an Burmester verpachtet, dann an Otto Timm, der wiederum mit dem Grafen Luckner zur See gefahren war und darum laufend Vorträge über diese seine Fahrenszeit bei Nagel hielt.
Neben dem Gasthof stand eine uralte Schmiede, Besitzer waren die Dobberkaus. Der Schmied beschlug am Amboss und offenen Feuer den Pferden die Hufe, die Funken sprühten nur so herum, wir Kinder fanden das besonders interessant. Nach der Verkehrsmodernisierung erfasste auch die Schmiede der Fortschritt, sie wurde umgestellt auf Autoverkauf und Reparatur. Der alte Betrieb am Rosenplatz fiel der Spitzhacke zum Opfer, die Söhne besitzen heute eine große Autofirma auf dem Industriegebiet in der Hermann-Körner-Straße.
So ging nach und nach das alte schöne Reinbek langsam verloren und wird immer mehr ein Opfer moderner – aber noch lange nicht von allen anerkannter – Bauplanungen.
An der Ecke Rosenplatz-Querstraße stand innerhalb des Rosenplatzes ein großes Etagenhaus, welches Höppner gehörte. Sie besaßen einen Gemischtwarenladen, wir Kinder kauften uns auf dem Weg zur Schule oftmals Bonbons bei ihnen. Unten im Keller hatten Vierkants einen Milchladen, der zur Hauptsache von der Frau geführt wurde. Ihr Mann fuhr oft zum Rennen nach Hamburg, ich sehe ihn noch vor mir: in heller Jacke, schwarzer Hose, Spazierstock und einer Kreissäge auf dem Kopf.
Albertz übernahm das Haus, Bützow den Laden. Später wurde das Gebäude abgerissen.
Herr Hemken wohnte gegenüber, besaß einen großen Lederladen mit Reparaturwerkstatt und Sattlerei, er war eine Zeit nach dem 2. Weltkrieg Bürgermeister von Reinbek. Das alte Haus steht heute noch, doch der Betrieb ist lange eingestellt.
Auf dem Rosenplatz stand ein langgezogenes Haus der Frau Reder. Sie hatte einen Mittagstisch für viele Junggesellen, die in Reinbek beschäftigt waren und für Kurgäste, die gerne und in großer Anzahl Reinbek besuchten. Sie war preiswert, so dass daraufhin ihr Geschäft gut florierte. Das Gebäude brannte ab.
Gegenüber der alten Feuerwehr stand eine Kate, die von 4 Familien bewohnt wurde. Sie fühlten sich in ihren Wohnungen und Gärten recht zufrieden, zumal sie den herrlichen Ausblick auf den Gleisnerischen Garten genießen konnten. Dieser Park war Privatbesitz, wurde später aber aus Gründen von Erbangelegenheiten aufgeteilt, die Stadt kaufte den gesamten Wald. Ursprünglich sollte er dann der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, doch daraus wurde nichts, die Stadt teilte das Gelände in Grundstücke auf. Und wer da Glück, Beziehungen und Geld hatte, baute sich in der idyllischen Umgebung an. Als Ausgleich übernahm die Stadt dann die Pflege des Parks, legte schöne Wege, Anlagen mit Bänken und Zierteichen an. Damit sollte den Bürgern gegenüber eine gewisse Entschädigung gegeben werden.
Gärtner Preis war ursprünglich der Hausgärtner der Familie Gleisner. Er wohnte erst in der Hamburgerstraße, da, wo heute noch Frau Westphal ihr wunderschönes, strohgedecktes Haus besitzt. Dann zog er oben in die alte Gleisnerische Villa im Park, sie fiel einem Blitzschlag zum Opfer und wurde abgerissen.
In der Schulstraße wohnte damals Frl. Brümmer – sie ist aus Reinbek nicht wegzudenken. Ständig zog sie mit ihrer Ziege durch Reinbek, sah auch genauso aus, und wenn eine Scheibe in Reinbek zu Bruch ging, dann setzte sie das Glas wieder ein, denn sie hatte die Glaserei gelernt. Auch das Schneidern war ihr Handwerk, ich erinnere, dass sie für uns Kinder des öfteren Kleider gearbeitet hatte – nur alle Stoffe waren mit dem ihr eigenen Brümmer-Duft-Aroma behaftet! Auch „Schmitt-Allerlei“ tauchte zu jener Zeit auf, verrichtete in vielen Reinbeker Familien seine Arbeit und schlief in Nagels Hofbaracke. Er verschwand einige Zeit, kreuzte dann plötzlich wieder auf – woher er eigentlich kam, wusste kein Mensch.
Käthe Krause, Besitzerin eines Tierheims in der Bergstraße, war im ganzen Dorf bekannt. Sie hungerte lieber selbst, als dass sie auf die Pflege ihrer Tiere verzichtete. Außerdem genossen die Kreaturen innerhalb ihres Hauses große Freiheit. So kam es letztlich zu einem großen Chaos, sie wirbelten die Federn der Betten durch sämtliche Stuben. Käte Krause musste wegen Krankheit das Heim aufgeben, sie starb verhältnismäßig jung, das gesamte Gelände erbte der Sohn ihrer Halbschwester, Peter Bluhm. Käte Krause war eine geborene Frank, ihr Vater besaß eine Tischlerei, vor 87 Jahren arbeitete dieser Tischler die gesamte Aussteuer meiner Eltern. Noch heute sind einige Stücke dieser Anfertigungen in meinem Besitz. Übrigens war die damalige Vorsitzende des Tierschutzvereines Lil Dagover, die ich dann persönlich bei Vorträgen im Kaffeehaus Nagel kennengelernt habe.
Ja, so verändert sich im Laufe der Jahre vieles. Ob es jedoch zum Wohle der Stadt beitragen wird, das soll erst die Zukunft ergeben. Meiner Ansicht nach ist die Bergstraße eine Gefahr für die Bevölkerung. Der Autoverkehr hat dermaßen Formen angenommen, dass man von einer „Schnellstraße mit tückischen Gefahren“ sprechen kann.
Ich könnte noch viele Episoden erzählen, doch es muss einmal Schluss sein. Hiermit möchte ich meine Erinnerungen an Reinbek schließen. Einen Ausspruch meines Vaters will ich noch hinzufügen:
„Der Herrgott hat Reinbek in seiner schönsten Laune geschaffen!“
Ob man das heute noch sagen kann, das zu beurteilen überlasse ich jedem selbst!