Asta Bünning erzählt von Hausschneiderinnen, zu denen sie als Kind aufgeschaut und mit denen sie ihren Spaß gehabt hat.
„In meiner Kindheit, Anfang bis Mitte der 30er Jahre, kam bei uns ein- oder zweimal im Jahr eine Schneiderin ins Haus. Meine Mutter war im Geschäft tätig und hatte keine Zeit zum Nähen. Mit der Schneiderin wurde ein Termin lange im Voraus ausgehandelt. Sie war ein älteres junges Mädchen und kam am verabredeten Tag am frühen Morgen. Mahlzeiten waren im Arbeitslohn einbegriffen und so frühstückte sie erst einmal, bevor sie an ihre Arbeit ging. Im Haushalt und im Betrieb war immer Bekleidung, Wäsche, Handtücher oder sonst etwas verschlissen und musste geflickt werden. Wir Kinder bekamen neue Kleidung: mein Bruder Hosen, meine Schwester und ich jede ein Kleid, das heißt, dass für mich meistens ein Kleid von meiner älteren Schwester passend geändert wurde. Für mich war es faszinierend, wie sie das zerissene Zeug wieder heil machte. Ich war natürlich begeistert, wenn sie mir ein neues Kleid nähte. Es wurde mehrfach anprobiert, ich kam mir dann ganz groß vor. Aus den abgefallenen Stoffresten durfte ich dann Kleider für meine Puppe nähen. Mittags aß sie bei uns am Tisch, bekam nachmittags Kaffee und ein Stück gekauften Kuchen, den es bei uns sonst nicht gab. Am späten Nachmittag ging sie nach Hause. Meistens kam sie mehrere Tage hintereinander. Als Entlohnung bekam sie nach meiner Erinnerung 3 Mark am Tag. Ich kann mich erinnern, dass in mehreren Haushalten in der Nachbarschaft in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen eine Schneiderin ins Haus kam.
Die Eltern einer gleichaltrigen Freundin hatten einen großen landwirtschaftlichen Betrieb. Auch hier kam regelmäßig bis zum Beginn des Krieges 1939 für mehrere Tage eine Schneiderin ins Haus. Sie wohnte für die Zeit auch hier und hatte viel zu tun. Einige Dienstmädchen und Knechte wohnten im Haus und wurden versorgt. Dazu gehörte auch, dass ein Teil ihrer Kleidung gestellt und instand gehalten wurde. Die Eltern meiner Freundin waren sehr großzügig und wir konnten allerlei unternehmen. Wenn die Schneiderin im Haus war, veranstalteten wir mit anderen Freundinnen zusammen eine Maskerade. Wir suchten die Kleiderschränke nach passender Garderobe durch und steckten sie so zurecht, dass sie uns passte. Die Schneiderin hatte wohl auch ihren Spaß daran und half uns dabei.“