Durch den Vertrag von Zarskoje Selo (1773) reichte Dänemark von Island und vom norwegischen Nordkap bis zur Elbe und Bille. Vom südlichsten Grenzort dieses großen Reiches berichtet Eckart Bünning:
Das Sächsische Tor bei Reinbek markierte die Grenze zu Sachsen-Lauenburg. Es war eine mannshohe Pforte auf der Wentorfer Seite am Ende des Mühlendammes, heute Schlossstraße. Doris Lütkens stellte sie in einer Zeichnung im Jahre 1828 als eine einflügelige und eine breitere zweiflügelige Pforte für Fuhrwerke zwischen stabilen Pfeilern dar.
Ein Grenzdurchgang für den allgemeinen Verkehr zum sächsisch-lauenburgischen Ausland hin war nicht möglich. Die Reinbeker Einwohner konnten das Tor allenfalls zu Fuß und ohne Handelswaren passieren. Nur wenn die Handwerker selbst für ihren eigenen Bedarf Holzfuhren aus dem Sächsischen nach Reinbek brachten, wurde ihnen ausnahmsweise die Passage durch das Tor erlaubt. Schließlich stellten die Reinbeker Einwohner Niemann, Christensen, Stahl und Luther am 25. Juli des Jahres 1772 beim königlichen Amtshaus zu Reinbek einen Antrag, das Sachsentor regelmäßig passieren zu dürfen: Sie benötigten für ihren Bedarf Holzfuhren aus dem Sächsischen und überdies erleichtere es ihnen den Weg nach Bergedorf. Als Entschädigung bieten sie eine jährliche Zahlung von 50 Mark an die Amtskasse. Das Gesuch wird weitergeleitet und entschieden:
„Von Gottes Gnaden, Paul, Kaiserlicher Kronprinz, Thronfolger und Großfürst aller Reußen, Erbe zu Norwegen, Herzog zu Schleswig, Holstein, Stormarn und Dithmarschen, Graf zu Oldenburg und Delmenhorst. […] Dem Ansuchen einiger Einwohner, dass die Passage durch das so genannte Sächsische Tor nach Bergedorf und dem Lauenburgischen hin frey und offen sein möge, wird gegen Zahlung einer jährlichen Recognition stattgegeben. Das Tor ist aber weiterhin geschlossen zu halten, auch zu Marktzeiten wie auch sonst keine Wagenfuhren, Holzfuhren und auswärtige Mühlengäste passieren dürfen.
Schloß Kiel, den 3. März 1773“
Ein weiteres Gesuch auf Torpassage zur Erleichterung ihrer Holztransporte stellen die Einwohner Hartwig Harders, der Gastwirt Johann Christian Jahncke und die Witwe Erdmans am 1. September des Jahres 1786. Auch ihrem Antrag wird gegen Zahlung einer jährlichen Entschädigung an die Amtskasse stattgegeben. Der Rademacher stellt am 27. Januar 1795 ebenfalls einen Antrag auf Torpassage. Seine wortreiche Begründung umfasst sechs beschriebene geheftete Blätter und endet: „Wofür ich ersterbe Ew. Königliche Majestät allerunterthänigster Knecht und Unterthan der Rademacher Meister Hans Jochen Christoffer Wiese.“
Das Gesuch wird im Amtshaus erörtert und in einer Schrift niedergelegt:
„Das Sächsische Thor. Pro Memoria Reinbek, den 11. März 1795
[…] über das Gesuch des Rademachers Wiese das im Sächsisch-Lauenburgisch gekauftes Holz durch das Sächsische Thor über die hiesige Mühlenbrücke herein bringen zu dürfen. […] Das jenseits der Bille bei der Mahl-Mühle belegene so genannte Sächsische Thor hat in vorigen Zeiten nicht passiert werden dürfen bis durch ein unter 3. März 1773 aus dem vormalig Großfürstlich Geheimen Regierungs Conseil die freie Passage unter Einschränkung zugestanden: Daß dieses Thor nach wie vor geschlossen gehalten und zu Marktzeiten wie auch sonst keine Kaufleute mit Waren durchfahren dürfen.“
Dem Antrag Wiese wird also mit den bekannten Auflagen stattgegeben.
Das Passagegeld steht nach einem Schreiben vom 4. April 1842 dem Amtspförtner Metze zu. Nach seinem Tode übernimmt der Gefangenenwärter Kruhse die Aufgaben des Pförtners und fordert in einem Schreiben vom 29. Juni 1842 das Passagegeld für sich. Es hat den Anschein, dass die Passage des Tores nun auch für andere Einwohner offen steht.
Durch Verordnung der Königlichen Dänischen Regierung vom 4. Juli 1842 werden die autorisierten Hebestellen für die abgabenpflichtigen öffentlichen Wege im Herzogtum Holstein genannt und die Höhe des Wegegeldes festgelegt:
Reichsbankgeld [Währung im dänischen Gesamtstaat] |
Courant [gebräuchliche Währung in den Herzogtümern] |
||
Ein Fuhrwerk |
bei Tage |
1 3/5 |
1/2 Schilling |
bei Nacht |
3 1/5 |
1 Schilling |
Das Königliche Amtshaus zu Reinbeck beauftragt mit einem Schreiben am 16. Februar 1843 die Königliche Hausvogtei zu Reinbeck, sie möge das schadhafte Sachsentor ausbessern und instand setzen. Auch sei eine Hinweistafel vor dem Tor aufzustellen:
„THORGELD
Am Tage: d.h. von Anfang Mais bis Ende Octobers von Tages-Anbruch
bis 11 Uhr Abends, in den übrigen Monaten bis 6 Uhr Abends
½ Schilling Courant, zur Nachtzeit 1 Schilling Courant.
Einpassierende Waaren sind direkt
nach dem Zollhaus in Reinbeck
zur Anmeldung zu bringen.“
Nach dem Bau der Berlin-Hamburger Eisenbahn im Jahre 1846 hatte der Durchgangsverkehr zugenommen. Die Wentorfer Einwohner konnten von diesem Weg zur Bahn nicht ausgeschlossen bleiben. Außer der Wegegeldeinnahme gab es keinen Grund mehr für die Absperrung. Sächsisch-Lauenburg stand mittlerweile unter dänischer Verwaltung. So stellte der Vogt Jahncke aus Reinbek am 27. August 1847 dem Königlichen Amtshaus ein Gesuch, dass das Reinbeker Sachsentor in Zukunft eingehen möge. Das Amtshaus hatte wegen Ausfällen bei der Zollerhebung Bedenken und wollte erst die Zustimmung der Zollbehörde einholen. Dieser Entscheidung kommt eine Verordnung zuvor:
„24. Bekanntmachung betreffend der Aufhebung der Wegegelderhebung an dem sogenannten Sachsenthor bei Reinbeck:
Zufolge Schreiben der Schleswig-Holsteinischen Kanzlei vom 11ten d.M. haben Se. Majestät der König mittels Allerhöchster Resolution vom 3ten d.M. 1848) die Beseitigung des sogenannten Sachsenthores zu genehmigen geruht.
Vorstehendes wird unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung der Regierung betreff die autorisierten Hebestellen auf den, dem Landeschausseebau bisher nicht unterzogenen öffentlichen Wegen in den Herzogthümern Schleswig und Holstein, hierdurch zur öffentlichen Kunde gebracht.“
Damit ist für alle Bürger der Weg über den Mühlendamm von und nach Reinbek frei. Nun waren alle Grenzen geöffnet und der weiteren Entwicklung des Ortes stand nichts mehr im Wege.