Reinbeks erstes Villenviertel lag verkehrsgünstig in Bahnhofsnähe und entstand im ausgehenden 19. Jahrhundert. Über Architekten, Bewohner und Bedienstete gibt Eckart Bünning Auskunft:
Der Ziegelkamp ist eine alte Flurbezeichnung für das heute durch die Bahn begrenzte Areal zwischen der Bahnlinie und dem Mühlenteich bzw. der Bille. Der Flurname rührt von den zahlreich vorkommenden Ziegelbrocken im Boden her. Einst soll die Klosterziegelei hier gewesen sein.
Peter Simon Detlev Bahnsen (1800-1878) war seit 1865 Eigentümer des Gutes „Tannenhof“, zu dem der Ziegelkamp gehörte. Seine Erben verkauften 1888 den Tannenhof an Johann Wilhelm Kück, behielten jedoch den Ziegelkamp als Spekulationsobjekt für sich.
Die Zeit war günstig. Das aufstrebende Hamburg konnte für die wohlhabenden Kaufleute keine geeigneten Bauplätze mehr bieten. Die bevorzugten Gebiete an Elbe und Alster waren längst vergeben, als die reizvolle Landschaft an der Bille, die zudem durch die Eisenbahnverbindung verkehrsgünstig zur Stadt lag, für den Bau von Villen entdeckt wurde. Bahnsen und sein Schwiegersohn Rudolf Baetcke hatten sich bereits auf ihren neben dem Schloss am Mühlenteich liegenden Grundstücken Villen gebaut. Bahnsens Erben planten die weitere Parzellierung und den Verkauf von Grundstücken auf dem Ziegelkamp. Straßen wurden angelegt – zunächst waren es Privatstraßen, die von den Anliegern unterhalten werden mussten.
Eine besondere Satzung als Bauauflage sorgte dafür, dass der Villencharakter in diesem Gebiet eingehalten wurde und keine einfachen Einzel- und mehrgeschossigen Häuser oder gar Gewerbebetriebe gebaut werden durften. Die Anlage von parkartigen Gärten und eine Grundstücksgröße von mindestens 2500 qm waren vorgeschrieben. Diese so genannte „Villenklausel“ wurde von der Gemeinde auch für andere ausgewählte Baugebiete übernommen.
Eine Ausnahme bildete die Gärtnerei von James Bahnsen in der heutigen Gärtnerstraße. Bahnsen war als Landschaftsgärtner bekannt. In Gewächshäusern kultivierte er Pflanzen für die hohen Ansprüche seiner Kunden. Die Gärtnerei ging durch mehrere Hände bis sie 1936 abgebrochen wurde.
Im Zuge der ersten Bebauung sind einige Villen zunächst als Sommersitz gebaut worden. Während des Sommers wohnten die Familien in Reinbek Die Väter als Geldverdiener kamen lediglich an den Wochenenden zu Besuch. Im Spätsommer ging es dann wieder in die Stadt. Dort spielte sich das gesellschaftliche Leben ab, an dem man teilhaben wollte.
Als dann aber 1899 auf Initiative der Villenbesitzer ein Elektrizitätswerk gebaut wurde, hatte man hier auch den Komfort der Stadtwohnung mit elektrischen Strom und fließendem Wasser. Eine häufigere Zugfolge und die kürzere Fahrzeit nach Hamburg ins Kontor oder zur Börse mag dazu beigetragen haben, dass man ganzjährig blieb. Die bestehenden Häuser wurden ausgebaut, Neubauten gleich als großzügige Villen errichtet. Die Anlage der Parks mit Pavillon und Bootssteg am Mühlenteich geben heute noch einen Eindruck vom Lebensstil der Bewohner.
Alle Villen glichen sich im Aufbau: Im Erdgeschoß lag der Wohnbereich mit Esszimmer, Salon, Bibliothek oder Herrenzimmer, im Obergeschoß dann die Privaträume und unter dem Dach ein kleines Zimmer für die „Köksch“. Küche und Wirtschaftsräume lagen im Keller und waren durch einen Aufzug mit dem Esszimmer verbunden. Die Keller waren häufig nur halb in das Erdreich eingetieft. Dadurch kamen Luft und Licht in die Wirtschaftsräume. Oftmals war noch ein weiterer tieferer Keller vorhanden, der als Weinkeller diente. Für Dienstboten und Lieferanten hatten die Häuser einen separaten Eingang.
Manche Kaufleute hatten in Übersee Besitzungen und verbrachten mit ihren Familien einige Wochen dort. Dann hatten die Bediensteten in Reinbek freie Bahn und konnten unter sich, mal hier, mal dort, manches kleine Fest im Haus feiern. Einige Herrschaften waren großzügig und duldeten stillschweigend das Treiben.
Obwohl die Villen sich im Aufbau glichen, waren die Gebäude äußerlich ganz individuell und sehr unterschiedlich gestaltet. Die Architekten waren Alleskönner, die den Wünschen der Bauherren entsprechend allen Baustilen gerecht werden mussten. Der Reinbeker Architekt Hugo Louis zeichnet für zahlreiche Bauten, aber auch die bekannten Hamburger Architekten wie Hipp, Grotjahn, Haller und Neupert haben mitgewirkt. Türmchen und Erker entsprachen dem Zeitgeschmack. Mitunter wirken Putzflächen nur durch ihre Struktur mit eingefügten Ornamenten, mitunter sind Ziegelmauerwerk und Putz kombiniert zu kontrastreichen Wänden. Reich ornamentiert sind die Balkongitter und Stützen. Sie sind aus Holz oder Schmiedeeisen hergestellt. Hölzerne Dachüberstände sind kunstvoll ausgeführt. Mancher Bauauftrag ging an Reinbeker Handwerksbetriebe und trug so zur Entwicklung des Ortes bei. Oftmals wurde ein Generalauftrag an einen Meister vergeben, der seinerseits andere Gewerke hinzuzog.
Zum Ziegelkamp gehörte früher auch der obere Teil der Sophienstraße. Durch die Bahntrasse war 1846 eine Trennung eingetreten. Zur Bauzeit der Häuser gab es übrigens keine Brücke zur Herzog-Adolf-Straße. Sie wurde erst um 1907 gebaut. Vorher war die Zufahrt zum Ziegelkamp beim Sophienbad. Dort führte ein durch Schranken gesicherter Bahnübergang zur anderen Seite.