Erika Schrader erzählt von einer gebrochenen Achse, der Zwetschgenernte und winterlichem Bohnenpulen.
„Als ich ein Kind war, in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts, lebte ich einige Jahre auf dem kleinen Bauernhof meines Großvaters. Ich ging damals noch nicht zur Schule, und an vieles kann ich mich auch nicht mehr so recht erinnern. Aber drei kleine Erlebnisse fallen mir doch wieder ein, wenn ich an diese Zeit denke.
Da war die Erntezeit. Wir Kinder waren bei fast allen Arbeiten der Erwachsenen dabei, wobei wir oft störten und Unfug machten. Aber wir mussten auch schon helfen, so gut wir konnten. Das Schönste war immer, wenn alle nach einem langen, harten Arbeitstag auf dem hochbeladenen Erntewagen saßen und nach Hause schaukeln durften. Einmal gab es dabei einen Zwischenfall: Es krachte unter uns, und der Wagen legte sich gefährlich auf die Seite. Ein Rad war gebrochen. Die Last der Getreidegarben blieb aber in einem Apfelbaum hängen, sodass der Wagen nicht ganz umkippte und niemand verletzt wurde. Die Erwachsenen waren trotzdem sehr aufgebracht und ärgerlich, mussten sie doch einen neuen Wagen besorgen und alles umladen, um das Getreide sicher auf den Hof zu bringen. Das dauerte bis tief in die Nacht. Wir Kinder fanden das alles sehr spannend und aufregend, zumal sich an diesem Abend niemand darum kümmerte, wann wir ins Bett gingen.
Ein herrliches Erlebnis für uns war auch die alljährliche Zwetschgenernte. An Opas Feldern entlang standen sieben alte Zwetschgenbäume, die wohl als Windschutz dienen sollten. Die Zwetschgen blieben im Herbst solange am Baum, bis sich ihr Fruchtfleisch am Stiel leicht kräuselte. Dann waren sie richtig reif. Wenn die Bäume dann kräftig geschüttelt wurden, ‚hagelte‘ es Zwetschgen auf uns nieder. Die wurden dann zusammengeharkt und in einen ‚Kastenwagen‘ geschüttet, aus dem sie nicht heraus fallen konnten. Wir Kinder saßen mitten darin, futterten bis wir fast platzten und übten uns im Zwetschgenkernweitspucken. Zu Hause kochte Oma Zwetschgenmus und am Sonntag gab es leckeren Zwetschgenkuchen, für den ich heute noch schwärme.
An einen sehr gemütlichen Abend mitten im Winter kann ich mich auch noch gut erinnern. Meine Tante wollte mit einem großen, in ein Sacktuch geknoteten Bündel in die Küche kommen. Es war aber so riesig, dass sie damit erst durch die Tür passte, nachdem sie es tüchtig zusammen gedrückt hatte. Sie warf es einfach auf den Fußboden. Zu meinem Erstaunen waren darin die Bohnenpflanzen, die ich im Sommer mit ihr zusammen aus der Erde unseres Gartens gezogen hatte. Sie hatten seitdem auf dem Dachboden gelegen und waren nun ganz trocken geworden. Jetzt mussten wir die Schoten abpflücken und die weißen Bohnen herauspulen. Das machte Spaß, und ich konnte mit meinen kleinen, geschickten Fingern schon richtig gut mithelfen. Ich weiß noch, wie stolz ich war, als die Erwachsenen mich dafür tüchtig lobten. Zur Belohnung gab es nach der Arbeit für jeden einen Bratapfel, der schon den ganzen Abend in der Ofenröhre gebrutzelt und geduftet hatte. Das Bohnenkraut wurde als Streu für das Vieh verwendet, und am nächsten Morgen musste die Wohnküche tüchtig sauber gemacht werden. Sie war ganz staubig geworden.“