Eigener Kaffee aus Malz geröstet, selbst gesammelter und getrockneter Tee, nur das beste für Opas Pfeife… Das Schöne kann so einfach – und selbstgemacht – sein. Gudrun Schmidt erzählt:
„Selbst der Trockenboden wurde genutzt, um Ernteprodukte zu lagern. Dort wurden vor allem die Tabakblätter zum Trocknen aufgehängt, die die hübsch blühenden Tabakpflanzen in unserem Garten ergeben hatten. Die waren für meinen Großvater bestimmt, als es Tabak kaum noch zu kaufen gab. Er rauchte gern mal ein Pfeifchen und freute sich zu seinem Geburtstag im Herbst und zu Weihnachten über unsere Gabe. Ob er auch unseren Spezialverschnitt (Tabak mit getrockneten Rosenblättern vermischt) wirklich mochte, hat er uns nie verraten. Wir Kinder bestanden immer darauf, einen kleinen Beutel davon extra für ihn zu füllen, und Opa hat das Zeug auch allzeit tapfer geraucht.
Neben Tabak hingen auch getrocknete Gewürze auf dem Dachboden. Und vor allem Teepflanzen! Tee kaufte man damals selten in der Apotheke, sondern sammelte und trocknete ihn selbst! Warum auch nicht? Die Natur rund um unser Dorf bot eine reiche Auswahl. Pfefferminze wuchs meist in den Gärten, und an Straßen- und Feldrändern fand sich reichlich Kamille, die damals noch nicht von Autoabgasen belastet war. Am liebsten aber trank ich Lindenblütentee. Bei einer heraufziehenden Erkältung hieß es: ‘Heiß baden, ab ins Bett, Lindenblütentee trinken, die Erkältung herausschwitzen!’ Das half eigentlich immer. Und gegen diesen Tee hatte ich auch nichts. Ich fand die Blüten hübsch und auch den Duft mochte ich. Vor allem aber besaß ich ein Bilderbuch, das ich sehr liebte. Eine ‘Lindenblüten-Prinzessin’ kam dort in große Gefahr – und wurde, natürlich, von einem schönen Prinzen gerettet. Dies Buch hat sicher meine Vorliebe für diesen Tee sehr unterstützt.
Dagegen mochte ich eine Teesorte überhaupt nicht – den Wermuttee. Solche Pflanzen zu sammeln weigerte ich mich standhaft. Diesen Tee gab es bei Magenverstimmung. Zum Glück wurde ich davon selten geplagt. Ich konnte immer alles essen, sogar grünes Obst, vor dem wir immer gewarnt wurden. Wahrscheinlich verhinderte schon allein der Gedanke an den verhassten bitteren Geschmack des Wermuttees bei mir Magenprobleme. Geschätzt habe ich dagegen später, während der Pubertät, den Königskerzentee, den man mir gegen meine heftigen, krampfartigen Leibschmerzen aufbrühte. Heutzutage würde man die Sache mit Tabletten behandeln. Auf eine solche Idee kam damals niemand. Zum Glück wuchs diese Pflanze bei uns – zwar relativ vereinzelt, ich musste regelrecht danach suchen – aber für meinen Tee gab es immer genug von den hübschen, leuchtend gelben Blüten.
Unter Tee verstanden wir damals also etwas anderes als heute. Schwarztee kannte ich als Kind nicht, schon gar nicht die unzähligen Mischungen, die man heute in den Spezialgeschäften erwerben kann. Ähnlich war es mit dem Kaffee. Zwar wusste ich, dass es Bohnenkaffee gab. Bei ganz seltenen Gelegenheiten zog ein wunderbarer Duft durch Omas Küche, und meine Mutter und die Tanten verdrehten erwartungsvoll die Augen, so schien es mir.
Im Alltag trank man jedoch Malzkaffee. Und den röstete meine Oma meist selbst. Zwar konnte man ‘Kathreiner’s’ im Geschäft kaufen, in blau-weißen Packungen. Aber auch das war schon Luxus. Kaffee war am billigsten, wenn er in einer besonders flachen Pfanne gebrannt (geröstet) wurde und zwar aus Gerstenkörnern und wenigen Wurzeln der so hübsch blau blühenden Wegwarte, bei uns in der Gegend ‚Zichorie‘ genannt. Dies Rösten roch aus meiner Sicht ähnlich gut wie Bohnenkaffee – und war viel öfter präsent. Doch vor allem: Wenn dieser Kaffee gemahlen und gekocht war, durften auch wir Kinder davon trinken – ein eindeutiger Vorzug!
Für besondere Gelegenheiten hatte übrigens auch mein Großvater mit der Getränkeherstellung zu tun. Dann konnte es vorkommen, dass er einen Eierlikör aus Omas sorgfältig gesammelten Hühnereiern – und aus ‚Grubenschnaps‘ herstellte, nach den Gesichtsausdrücken der Erwachsenen zu urteilen eine kleine Köstlichkeit. Und Wein setzte er manchmal an – Obstwein, aus im Wald gesammelten Blaubeeren, oder aus Hagebutten, die ebenfalls erst mühsam gesammelt werden mussten. Ich bewunderte dann die große, ballonartige Flasche, aus der es monatelang so geheimnisvoll vor sich hin blubberte, bevor Opa die Flüssigkeit in kleine Flaschen füllte – abzog, wie es hieß. Die wurden dann verschlossen und für ganz besondere Festlichkeiten aufbewahrt.
Diese Feste – wie Geburtstag, Taufe, Hochzeit – oder die jährlichen Kirchenfeste – waren stets mit reichlich Arbeit verbunden. Aber das schien niemanden zu stören – es war einfach selbstverständlich, einen großen Hausputz durchzuführen, besonders viel Wäsche zu waschen, arbeitsintensive Speisen herzustellen, Kuchen zu backen – und das alles ohne Spülmaschine, Kühlschrank, Elektroherd, Gasofen, Waschmaschine oder Trockner. Und ohne Wasserleitung! Denn das Wasser holte man überall im Dorf vom nächstgelegenen Tiefbrunnen, kurz ‘Pumpe’ genannt. Manche Häuser hatten auch eine eigene Pumpe, wie wir – und das Wasser schmeckte überall anders, bei uns natürlich am besten! Bei meinen Großeltern in Thüringen mussten noch alle, um Wasser zu holen, zum einzigen Dorfbrunnen gehen, der von einer Quelle gespeist wurde. Eine mühsame Angelegenheit – aber auch recht kommunikativ, denn man traf sich dort auch zu einem Schwätzchen.
Natürlich mussten auch wir Kinder mit dafür sorgen, dass die beiden Wassereimer auf der Wasserbank in der Küche immer gefüllt waren. War es abends bereits dunkel, wenn wir noch einmal zum Brunnen gehen mussten, dann blieb eine von uns Schwestern an der Haustür stehen, um diese offen zu halten, damit ein Lichtstrahl in den dunklen Hof fiel, sonst hätte sich die andere zu sehr gefürchtet, die Heiste (mit Platten ausgelegter Fußweg) zum Brunnen zu gehen.
Viel zu schnell war ein Wassereimer wieder geleert, denn mit dem Schöpftopf, der an einem Haken über der Wasserbank hing, wurde Wasser überall dorthin eingefüllt, wo es gebraucht wurde: in die Wasserpfanne am Herd, um heißes Wasser zuzubereiten, in die Kochtöpfe, ins Waschbecken, in die Abwaschschüsseln – eine zum Abwaschen, die andere zum Spülen. Nach Gebrauch wurden diese Schüsseln entleert in den Abwaschtisch zurückgeschoben, um in der Wohnküche Platz zu sparen – eine praktische Einrichtung. Vor allem aber tranken wir auch aus dem Schöpftopf, wann immer wir Durst hatten.
Luxus war es, wenn uns Mutter etwas von dem selbstgemachten Himbeersirup spendierte – die Beeren dazu hatten wir im Sommer im Wald gesucht. Dieser Sirup wurde in einem Trinkglas mit Wasser aufgefüllt. Aber etwas so Köstliches gab es nur bei besonderen Anlässen. Im Normalfall genügte Wasser gegen den Durst. Wenn wir allerdings im Sommer zum Badeteich außerhalb des Dorfes gingen, dann durften wir uns eine Flasche mit Essigwasser mitnehmen. Zum normalen Brunnenwasser wurde eine geringe Menge Essig und etwas Zucker zugegeben – ein herrlicher Durstlöscher!“