Die Siedlung Hinschendorf entstand in den späten 1920er Jahren. Da es zu dieser Zeit noch keine regelmäßige Müllabfuhr gab, musste in der Nähe der Siedlung eine Müllkuhle angelegt werden. Eine Spurensuche von Anna-Katharina Lindner:
Bei einem meiner ersten Spaziergänge durch Hinschendorf stachen mir auf Höhe des Spielplatzes hinter der Kehre Schaumanns Kamp auf dem frisch gepflügten Acker rechts neben dem Weg vor dem Wald auffallend viele Keramik-, Porzellan- und Glasscherben ins Auge. Diese Ansammlung konnte nicht von einem einzelnen Bauernhof stammen, wo ja bekanntlich früher zerbrochenes Geschirr auf dem Misthaufen landete und beim Mistfahren im Winter mit auf die Felder gestreut wurde.
Umweltbewusste Gedanken waren nicht der Auslöser dafür, dass ich diese kleine Feldecke von nun an nach Regenfällen und nach dem Pflügen mit Interesse beobachtete. Vielmehr hielt ich stets die Augen offen, um Brauchbares für den Schulunterricht zu finden, wie Federn, Nester, Vogeleierschalen, Samenkapseln, Ähren, Steine, Galläpfel usw. Hier nun, auf dem Acker entdeckte ich blaue, gelbe und rote dünnwandige Glasscherben, die sich gut als Fritte beim Töpfern im Werkunterricht verwenden ließen. Beim Aufsammeln dieser Glasstückchen stieß ich auch auf angeschlagene Tintenfässer, wie sie früher in den Schultischen unter einer Klappe versenkt waren, auf zahlreiche kleine braune Medizinflaschen, braun und blau glasierte Tonmarmeln, Porzellananstecker von Spenden für das Winterhilfswerk aus der Kriegszeit, Scherben zerbrochener Ofenkacheln und vieles mehr. Das musste Abfall aus vielen Haushalten sein.
Ältere Bewohner aus Hinschendorf, denen ich davon erzählte, wussten noch von einer Müllkuhle dort zu berichten. Das leuchtete mir ein, aber zeitlich konnte sich dazu niemand festlegen. In den folgenden Jahren wurden die abgeernteten Äcker nicht mehr so tief gepflügt. Das hatte zur Folge, dass die genannten Abfälle nicht mehr so augenfällig zum Vorschein kamen wie in den Jahren zuvor.
Später nutzte ich die Gelegenheit, im Reinbeker Stadtarchiv und im Bauamt nach Vermerken über eine Müllkuhle in Hinschendorf zu fragen. Leider waren dort keine Aufzeichnungen vorhanden. Aber alle Auskunftgebenden waren sehr kooperativ und vermittelten mir nach Telefonaten, dass ich im Amt für Stadtentwicklung und Umwelt in Frau Voß eine kompetente Ansprechpartnerin finden würde.
Frau Voß hatte Unterlagen, aus denen hervorging, dass in den 50er Jahren bis Anfang der 60er Jahre in einem kleinen überschaubaren Gebiet eine Müllkuhle bestanden hat, die im Altlastenkataster des Kreises als „Müllkuhle Hinschendorfer Kehre“ bezeichnet wird. In diesen Unterlagen wird in einem Satz angedeutet, dass diese Entsorgungskuhle möglicherweise schon vor dem Krieg bestanden haben könnte. Die Stelle umfasste das jetzige Endstück des Feldes vor dem Wald, den Weg zwischen Feld und Spielplatz, einen Teil des Spielplatzes, des Bolzplatzes und ein Teilstück der angrenzenden Schrebergärten.
Es hat damals in der Gemeinde noch keine geregelte Müllabfuhr gegeben, weil nahezu jeder Haushalt alles Brennbare selbst verheizte: in der Küche, im Kachelofen oder einem zu befeuernden Heizungsofen im Keller. Übrig blieben Teile aus Glas, Keramik und Porzellan. Metall verkaufte man beim Altmetallsammler. Die Hausmüllreste konnte man in der Müllkuhle entsorgen.
In aller Regel wurden bereits vorhandene Kuhlen dafür freigegeben. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Hinschendorfer Kuhle durch Sandabbau entstanden war. Für eine alte Mergel- oder Tonkuhle gibt es keine Hinweise. Ein Bombentrichter scheidet mit Sicherheit aus, weil in Hinschendorf keine Bombe niedergegangen ist.
1962 wurde die Straße Schaumanns Kamp gebaut, an der dann Reihen- und Einzelhäuser entstanden. Etwa zeitgleich mit dieser Neuanlage des Schaumanns Kamp ist die „Müllkuhle Hinschendorfer Kehre“ geschlossen worden. Nach Auskunft des Amtes wurde sie „gedeckelt“, das heißt zusammengestampft und mit Erdschichten abgedichtet. Später entstanden dort der Spiel- und Bolzplatz, der Weg als Teilstück des Billewanderwegs und die vorderen Schrebergärten. Die Schrebergartenanlage liegt deutlich höher als der Bolzplatz. Ob das ein natürlicher Niveauunterschied ist oder dort mit deutlich mehr Mutterboden aufgefüllt worden ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Die betroffene Ecke des Feldes liegt nur minimal unter dem Niveau des Spielplatzes. Sie ist heute der einzige sichtbare Anhaltspunkt für die einmal vorhanden gewesene Kuhle. Wenn man heute auf dem bezeichneten Teil des Billewanderwegs geht, sieht es links und rechts wie eine natürlich gewachsene Landschaft aus.
Im Auftrag des Kreises wurden und werden von Zeit zu Zeit Bodenproben entnommen und das betroffene Areal auf Ausgasungen überprüft.