Martha Klempau, geboren 1920, erzählt von unbeschwerten Kinderjahren in der Bismarckstraße. Gisela Manzel hat mitgeschrieben:
„Geboren und aufgewachsen bin ich in der Bismarckstraße in Reinbek. Das Grundstück neben dem Haus, in dem meine Familie wohnte, war riesengroß und gehörte der Familie Heise. Es reichte von den heutigen Reihenhäusern in der Bismarkckstraße bis fast zur Lindenstraße. Viele alte Obstbäume standen darauf und da die große Villa an mehrere Parteien vermietet war, fühlte sich niemand so recht zuständig für die Pflege des Gartens. Es war das reinste Kinderparadies!
Wir konnten in dem Garten unbeschwert spielen und haben das auch reichlich getan. Große Linden standen an der Grundstücksgrenze zur Schönningstedter Straße (zwei davon stehen heute noch). Von einer Grotte aus konnten wir in die Bäume klettern und von dort gut die Leute beobachten, die auf dem Weg von und zur Bahn waren. Gesehen wurden wir selber aber nicht. Manchen Schabernack haben wir von da oben aus getrieben!
Ein Mieter, der in der Villa wohnte, hatte in einem Teil des Gartens ein wenig Gemüse angebaut. Einmal wuchs dort auch ein schöner großer Kürbis. Wir fanden unsere Idee, diesen auszuhöhlen und eine Kerze hineinzustellen, ganz toll. Der Besitzer fand das aber gar nicht gut, und von meiner Mutter wurde ich wegen dieses Unfugs furchtbar ausgeschimpft.
Eine große, alte Eibe (Taxus), sie gibt es noch immer, war unser Schiff. In ihren Zweigen konnten wir wunderbar schaukeln. Das ging ganz lange gut, bis man uns eines Tages sagte, eine lange leer stehende Wohnung in der Villa wäre nun neu vermietet und der Mieter würde den Garten ein bisschen beaufsichtigen. Das tat er dann auch und verbot uns das Spiel in der Eibe. Als das nicht viel nützte, zog er einfach Stacheldraht in unser ‘Schiff’‘. Oh, wie waren wir wütend auf diesen Herrn ‘Vermietet’, wie wir ihn von nun an nur noch nannten!
Aber es fanden sich immer wieder neue Plätze, die unsere Phantasie anregten. Unter der großen Veranda der Villa war ein Hohlraum, der bei schlechtem Wetter so recht geeignet war, uns ein gemütliches Zuhause zu sein. Unsere ‘Sommerwohnung’ dagegen hatten wir in Fundamentresten an der Hecke zur Bismarckstraße. Zinkwannen, Teppichstücke und allerlei Übriggebliebenes, was auf dem Grundstück herumlag, konnten wir immer gut für unsere ‘Wohnungen’ gebrauchen.
Und dann wurde direkt gegenüber von meinem Elternhaus eine neue Straße gebaut. Ich war gerade zur Schule gekommen und so stolz darauf, dass ich schon lesen konnte. Auf dem Absperrschild der Bauarbeiter stand ganz groß geschrieben: Bau der Parkalle. Ganz deutlich. Ich konnte überhaupt nicht verstehen, daß mich die größeren Kinder laut auslachten. Wie sollte das heißen? Parkallee? Glaubte ich nicht! Ich las daraus Par-Kalle!
Als die Straße dann fertig war, wurde sie im Winter zur schönsten Rodelbahn, die man sich vorstellen kann. Mit mehreren Schlitten zusammengebunden kamen wir von der Bismarckstraße bis zum Bahnhof Irgendwann streuten aber die Gemeindearbeiter immer die Sophienstraße mit Sand. Das war jedoch kein Hinderungsgrund für die Jungens. Sie holten einen Besen und fegten den Sand weg. Und weiter ging die Schlittenfahrt!“