Eine zerbrochene Flasche Korn, zwei neugierige Kinder und einige Hühner… Was kommt raus? Gudrun Schmidt erzählt von einem Malheur beim Schnapsbrennen:
„Den Schnaps, der übrigens auch beim Schlachtfest nicht fehlen durfte, brannte mein Onkel meist selbst. Wahrscheinlich erinnere ich mich an das Schnapsbrennen vor allem wegen eines Zwischenfalls: Mein Cousin und ich durften auch hierbei helfen – vor uns Kindern wurde damals kaum etwas verheimlicht. Wir sollten die frisch gefüllten Flaschen in die Speisekammer tragen. Diese hatte einen Fußboden aus Keramikfliesen, die alt und ausgetreten waren und hier und da kleine Vertiefungen bildeten. Außerdem war es dort relativ dunkel. Jedenfalls stolperte mein Cousin und ließ eine der Flaschen fallen. Die zersprang natürlich und die wertvolle Flüssigkeit sammelte sich in den Kuhlen. Sofort verbreitete sich ein strenger Geruch. Ob wir mal probieren sollten? Bisher war die wasserklare Flüssigkeit für uns natürlich tabu gewesen. Wir bückten uns, leckten dort, wo keine Glassplitter lagen, ein wenig auf. Puh, schmeckte das widerlich!
Die Erwachsenen hatten immer viel Aufheben von dem Zeug gemacht. Konnte man es da einfach so aufwischen? Ich weiß nicht mehr, wer von uns beiden die, wie wir glaubten, großartige Idee hatte. Jedenfalls liefen wir raus auf den Hof, jeder griff sich ein Huhn und trug es in die Speisekammer. Und diese Tiere begannen wirklich, eifrig von der klaren Flüssigkeit zu trinken. Ob sie es für Wasser hielten?
Aber dieser Geruch! Uns kamen doch Bedenken, als die Hühner gar nicht genug bekommen konnten. Wir fingen sie und trugen sie zurück auf den Hof… und erschraken mächtig, als die Tiere sich total merkwürdig aufführten! Sie torkelten umher, drehten sich wie verrückt um sich selbst und verdrehten die Augen. Natürlich musste genau in diesem Augenblick mein Onkel auf den Hof kommen. Er schaute auf die Tiere, schnupperte, sah uns an – und uns blieb gar nichts anderes übrig, als ihm alles zu erzählen, obwohl wir natürlich Angst vor seiner Reaktion hatten. Wir waren sehr erleichtert, als er erst einmal herzlich lachte. Selbstverständlich gab es dann eine gehörige Standpauke, aber die befürchtete Tracht Prügel – zumindest für meinen Cousin, denn ich war ja Gast – und noch dazu ein Mädchen – fiel zum Glück aus.“