Grundlage für diese Aufzeichnungen sind Gespräche, die Eckart Bünning mit Reinbekern über ihre Erlebnisse in den letzten Kriegstagen und der ersten Nachkriegszeit führte. Sie erzählen von diensteifrigen Volkssturmführern, Werwölfen und Tieffliegerangriffen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges.
Der Krieg war zu Ende gegangen. Die Britischen Truppen setzten bei Lauenburg über die Elbe. Trupps von deutschen Soldaten zogen durch den Ort. Einige versuchten, Fahrräder zur schnelleren Fortbewegung an sich zu bringen. Frauen fuhren mit dem Rad nicht mehr durch einsame Gegenden und nahmen lieber einen Umweg in Kauf. Von Übergriffen deutscher Soldaten auf Fahrräder wurde mehrfach berichtet. Die Einheiten waren in Auflösung und die Soldaten wollten möglichst nach Hause oder in eine sichere Gegend fahren.
Tiefflieger überflogen mehrfach den Ort und schossen auf alles, was sich bewegte. Bei Motorengeräusch ging jeder sofort in Deckung. Eisenbahnzüge waren bevorzugtes Angriffsziel. Auf Eisenbahnwaggons waren leichte Flakgeschütze montiert. Sie wurden an Züge angekoppelt und sollten Tiefflieger abwehren.
Günter, Jahrgang 1936, berichtet von einem Fliegerangriff, bei dem ein englisches Flugzeug durch Beschuss der deutschen Fliegerabwehr stark beschädigt wurde und Teile in der Luft verlor. Ein größeres Trümmerstück hat den Turm des Reinbeker Schlosses getroffen und beschädigt. Besatzungsmitglieder sprangen aus dem abstürzenden Bomber in niedriger Höhe ab. Einige landeten mit dem Fallschirm in den Bäumen des Krähenwaldes. Von ihnen hat niemand überlebt. Das Flugzeug ging schließlich in Wentorf zu Boden.
Adolph, 1937 geboren, erinnert sich an die Erzählungen seiner Mutter: „Vater war gefallen und Mutter musste nun notgedrungen das Fuhrgeschäft in der Bahnhofstraße leiten. In den letzten Kriegstagen, als englische Truppen schon bei Lauenburg über die Elbe gekommen waren, kam ein Bescheid, dass wir mit unserem schweren Büssing-Lkw und Anhänger, Munition zu einer Stellung, die zwischen Neuschönningstedt und Stemwarde aufgebaut war, zu transportieren hätten.“
Im Mai 1945 wurden von deutschen Soldaten an der über die Bille führenden Brücke in der Schlossstraße und am Stauwehr des Mühlenteiches mehrere Sprengladungen angebracht. Die letzten durchziehenden deutschen Truppen sollten sie zünden und Brücke und Stauwehr zerstören, um die englischen Truppen aufzuhalten. Dazu kam es nicht. Betriebsmeister Bartels und Herr Stegemann, der gegenüber im Hause Schlossstraße 8 wohnte, haben die Sprengladungen gleich wieder ausgebaut, in Eimer und Körbe gelegt, auf die Brücke gehievt und dann abseits im Mühlenteich versenkt. So wurde großer Schaden, der durch die Brückensprengung entstanden wäre, vom Ort abgewendet.
Hermann, Jahrgang 1910, berichtet hierzu: „Als Soldat kam ich auf dem Rückzug Ende April durch Reinbek. Wir hatten den Auftrag, die Brücke über die Bille beim Mühlenteich in der Schlossstraße zu sprengen. Unser Leutnant führte diesen Befehl nicht aus, und wir zogen einfach weiter. Mir gefiel Reinbek damals so gut, dass ich später als Entlassungsort Reinbek angab. In meine Heimat, Stolpe in Pommern, konnte ich ohnehin nicht zurück.“
Diensteifrige Volkssturmführer veranlassten den Bau von Panzersperren. Eine wurde in der Querstraße zwischen dem „Gasthof zur Schmiede“ und dem Haus Albertz, Am Rosenplatz 10, errichtet. Allerhand Balkenwerk und Steine wurden aufgetürmt und sollten so die Engländer beim Vormarsch aufhalten. Eine weitere Panzersperre lag auf dem Schmiedesberg zwischen den Häusern Nr. 18 und 21, die andere in der Hamburger Straße zwischen den Böschungen in Höhe des Hochhauses Nr. 49. Kämpfe hat es um die Sperren nicht gegeben.
Ein Trupp fanatischer Männer der Waffen-SS versammelte sich beim Schützenhof, Schönningstedter Straße 78, einige wollten als „Werwolf“ hinter den englischen Linien weiter kämpfen. Sie zogen dann aber weiter, bevor es zu einem Kampf kam.
Frau P. damals 18 Jahre alt, hat erlebt, dass mit Panzerfäusten bewaffnete Soldaten in ihr Elternhaus in der Wohltorfer Straße eindrangen, um aus geeigneten Fenstern heraus auf die anrückenden Engländer zu schießen. Einige blieben mitsamt den Panzerfäusten über Nacht im Haus. Aber auch sie verzogen sich schließlich am nächsten Tag ohne Schaden anzurichten.
Beim Rückzug der deutschen Truppen hielten zwei deutsche Panzer auf dem Landhausplatz. Einige Soldaten der Panzerbesatzung erbaten sich von den Einwohnern Zivilkleidung und setzten sich von der Truppe ab.