Milch war schon immer ein deutsches Grundnahrungsmittel. Doch in Reinbek kam die Milchwirtschaft erst in preußischer Zeit so richtig in Gang. Warum und wie genau, das erklärt Eckart Bünning:
Im südlichen Stormarn hatte die Milchwirtschaft anfänglich für die Bauern nur eine untergeordnete Bedeutung. Schönningstedt und Ohe hatten ebenso wie die anderen bis 1864 zum dänischen Amt Reinbek gehörenden Dörfer die Verpflichtung zu Hand- und Spanndiensten auf dem staatlichen Gut Hinschendorf. Dafür mussten sie auch eine erhebliche Anzahl von Pferden bereitstellen. Die Felder wurden für den Anbau von Pferdefutter benötigt, Kühe wurden allenfalls für die eigene Milchversorgung gehalten. Erst als die Spanndienste nicht mehr geleistet werden mussten, konnten die Landwirte ihr Land umstellen auf Weide- und Hackfruchtflächen und hatten damit Futter für Milchvieh.
Die bereits seit längerer Zeit bestehenden Meiereien in Trittau und Bergedorf nahmen die Milch ab, die Schönningstedter und Oher Milchbauern lieferten mit der Kreisbahn ab Glinde an Hamburger Meiereien. Später wurde dann die Milch direkt von der Hansameierei abgeholt, berichtet Frau Mestars, die in Schönningstedt auf dem Hof ihrer Eltern aufgewachsen ist. An mehreren Stellen im Dorf standen die so genannten „Milchböcke“, Plattformen in Höhe der Ladefläche des Milchautos, auf denen die gefüllten Milchkannen zur Verladung gestellt wurden.
Übrigens haben die Schönningstedter Bauern in den schweren Nachkriegsjahren „Milchpatenschaften“ übernommen, in deren Rahmen unterernährte Kinder täglich ½ Liter Milch abholen durften.
Alfred Soltau, letzter Besitzer des über Generationen im Familienbesitz befindlichen Bauernhofes in der Reinbeker Schulstraße, berichtet, dass Milch von Privatkunden direkt vom Hof abgeholt wurde, ein weiterer großer Teil an die Reinbeker Milchhändler, früher Kröger und Christiansen, verkauft wurde und der Rest an die Bergedorfer Meierei von Bestmann ging.
Die großen Güter Glinde und Hinschendorf hatten eigene Meiereien. Glinde hatte eine Milchviehherde von über 100 ausgesuchten Milchkühen und stellte qualitativ hochwertige Vorzugsmilch her. Die Milchwirtschaft war personalintensiv. Es waren mehrere gut ausgebildete Facharbeiter als „Schweizer“ angestellt. Sie waren für die Pflege und das Melken der Kühe zuständig. Zweimal am Tag wurde mit der Hand gemolken.
Nach Kühlung und Abfüllung in Flaschen in der Gutsmeierei wurde die „Sanitätsmilch“ mit mehreren Autos und pferdebespannten Milchwagen an Privatkunden und an ausgesuchte Geschäfte in Hamburg und in der hiesigen Gegend ausgeliefert. Die Milchviehwirtschaft wurde in Glinde etwa 1970 eingestellt.
Gut Hinschendorf vermarktete die Milch seiner 52 Milchkühe ebenfalls direkt und belieferte mit einem Pferdewagen Privatkunden und Geschäfte vorwiegend in Bergedorf. Nach 1950 kam die Milch zu einer Hamburger Meierei und wurde dort weiter verarbeitet. Heute wird die Milch von teilweise in Mecklenburg ansässigen Großmeiereien direkt von den Milchviehbetrieben abgeholt.