Auch wenn die Freizeit der „kleinen Leute“ früher knapper bemessen war, als wir uns das heute vorstellen können – es gab sie! Doch: Was tat man in freien Stunden? Was für Angebote gab es in Reinbek? Dieser Frage sind Karin und Uwe Plog nachgegangen.
Viele „kleine Leute“ lebten in Prahlsdorf, dem Viertel der Handwerker und Tagelöhner, in einfachen Verhältnissen. Der Arbeitstag, ob in Reinbek oder außerhalb, war lang und hart. Man wohnte in engen Katen oder niedrigen oder mehrstöckigen Backsteinhäusern; zeitweise hatten sich vornehmlich Handwerker auf der Basis neuer gesetzlicher Grundlagen für den Eigenheimbau sogar ein preiswertes Grundstück zwischen Reinbek und Schönningstedt leisten können.
Die Freizeit war knapp bemessen. Insbesondere am Wochenende zog man ins Grüne. Geselligkeit und Kommunikation hielten die Gemeinschaft in der „Republik“ (Prahlsdorf) aufrecht. Im „Schützenhof“ bei Hannes Picker wurde abends die Zeitungslektüre diskutiert und am Sonntag Skat gespielt. Hier fand auch der „Swiensball“ (Tanzfest organisiert von der Schweinegilde), der Höhepunkt der Prahlsdorfer Saison statt.
Sicher gab es gemeinsame Veranstaltungen und Aktivitäten wie auch Feierabend- und Sonntagsfreizeiten (Kirchgang, Sonntagsschule, Ausflüge, Bootsfahrten, Bier, Kaffee und Musik und vieles mehr) der verschiedenen gesellschaftlichen Bevölkerungsschichten. Und doch wusste jedermann, ob „seine“ Gaststätte das Landhaus oder der Schützenhof war! Die Kinder hatten gemeinsame Schulwege, gingen zusammen zum Baden im Tonteich und in der Bille und im Winter zum Rodeln im Schmiedesberg und in der Schulstraße, spielten Schlagball, Völkerball oder Kippel-Kappel und natürlich „Räuber und Gendarm“ in den Straßen oder den angrenzenden Waldgebieten.
Unter den Möglichkeiten einer Freizeitgestaltung stand der Sport ganz obenan. Seit 1892 gab es den „Reinbeker Turnverein“ (RTV), der Mitte der 1920er Jahre 214 Mitglieder zählte (Reinbek hatte zu der Zeit 2480 Einwohner) und diesen Turnen und Leichtathletik, Hand- und Fußball anbot. Natürlich stand dieser Verein allen Interessenten offen. Bavendamm schreibt dazu, dass die Dreiklassengesellschaft sich abschliff und der Ort eine ausgewogenere Gestalt annahm. Trotzdem veröffentlichte das „Hamburger Echo“ am 6. Mai 1926:
„Arbeiter! Treibt Turnen und Sport in den Arbeitervereinen […] Im reaktionären Reinbek müssen wir zusammenstehen!“
Hier hatte sich bereits im Januar ein Arbeiter-Turn-und -Sportverein gegründet. 1928 hatte dieser 94 Mitglieder (25 erwachsene Turner, 40 erwachsene Fußballer und 29 Turnkinder) und 1930 72 Mitglieder (44 Turner und 28 Fußballer, keine Kinder). Dazu gehörte ein Spielmannszug, der mit Schalmeien und einer Pauke den Trommlern und Pfeifern des RTV Konkurrenz machte. Vereinslokal war der Schützenhof, wahrscheinlich kamen die Mitglieder mehrheitlich aus Prahlsdorf.
Es hat weitere Vereine und Verbände, auch Organisationen in Reinbek gegeben, die den „kleinen Leuten“ Engagement, ehrenamtliches Mitwirken oder einfach eine Freizeitgestaltung ermöglichten. In Prahlsdorf existierte ein weiterer Schützenverein, der seinen Schießstand neben dem „Herrengraben“ hatte; Schützenhof und Schützenstraße verdanken ihm ihre Benennung. Außerdem gab es den Arbeiter-Radfahrerverein „Solidarität“, die Feuerwehr, die Kommunistische und die Sozialdemokratische Partei, den Mieterverein, den Schrebergartenverein, die Schweinegilde, den Sparclub „Nordpol“ und den Kartenclub „Schosterbuk“, von denen an anderer Stelle erzählt wird.