Helga Brettner wurde vor über 70 Jahren in der Schanze geboren. Gerhard Schramm kam 1945 aus englischer Gefangenschaft nach Schönningstedt, verliebte sich in die Tochter Inge der Bauernfamilie Stahmer und blieb im Dorf. Das Ehepaar hat bis zum Tod von Frau Schramm in Reinbek-Schönnigstedt gelebt, und Helga Brettner verbrachte ihr ganzes Leben hier. Gisela Manzel wirft mit ihnen einen Blick auf die jüngere Schönningstedter Geschichte.
Das Leben im Dorf war geprägt von der Landwirtschaft, in der Zeit des Mangels genauso wie in den vielen Jahrhunderten davor. Es gab auch nach dem 2. Weltkrieg noch elf Bauernhöfe in Schönningstedt.
An dieser Stelle stand seit 1577 die Schönningstedter Hufe Nr.1 und mit ihr verbunden war die Funktion des Bauernvogts. Bauernvögte hatten in den Dörfern obrigkeitsrechtliche Aufgaben, und das Amt wurde häufig vom Vater auf den Sohn vererbt. In Schönningstedt war es 230 Jahre lang, bis 1823, in den Händen der Familie Behn.
1852 erwarb Rudolf Baetcke das Gelände und errichtete an der Stelle des Bauernvogteigebäudes einen zweigeschossigen Fachwerkbau. Das Anwesen kaufte 1883, wenige Jahre nachdem Rudolf Baetcke das Haus gebaut hatte, Reichskanzler Otto von Bismarck. Und im Besitz der Familie von Bismarck blieb es bis in die 1990er Jahre. Dann wurde das Gelände veräußert, die noch vorhandenen Gebäude – bis auf das Fachwerkhaus – abgerissen und das Areal parzelliert. Das Wohnhaus des letzten Pächters, Walter Kratzmann, war schon einige Jahre zuvor verschwunden; ebenso wie die kleine Bude am Anfang der Dorfstraße, in der Milchmann Otto Puls, der sein Geschäft in der Schönningstedter Straße hatte, neben Milch und anderem den Dorfbewohnern auch geschlagene Sahne verkauft hatte. Und es entstand auf der gesamten Fläche eine geschlossene Neubebauung, die „Bauernvogtei“.
Als Gerhard Schramm 1945 nach Schönningstedt kam, versuchte er in der fremden Umgebung Fuß zu fassen. Er arbeitete – obwohl von Beruf technischer Zeichner – zunächst auf dem Hof seines späteren Schwagers Rudolf Stahmer, besuchte später Schulen und war dann bis zum Ende seiner Berufstätigkeit als Betriebsingenieur bei der Firma Alfa Laval in Bergedorf tätig. Aber auch das dörfliche Leben fing schon bald nach dem Krieg wieder an. So trat Gerhard Schramm in die 1946 neu gegründete Musikzug der Freiwillige Feuerwehr ein und wurde bald Mitglied im Musikzug der Kameraden. Bei Emil Krüger, einem ehemaligen Militärmusiker, lernte er das Spielen von Klarinette und Saxofon. Über viele Jahre hat auch Gerhard Schramm an allem, was dieser über die Grenzen Schönningstedt hinaus bekannt gewordene Musikzug aufbot, teilgenommen. Leider fehlt auch hier – wie in vielen Vereinen und Gruppen – der Nachwuchs.
Schönningstedts südliche Gemeindegrenze reichte bis zur Gebietsreform Anfang 1974 an den sogenannten Herrengraben heran, der an der Nordseite der Schützenstraße verläuft. Der „Schützenhof“ lag damit an der äußersten Gemeindegrenze nach Reinbek. Da gab es dann auch in der Schönningstedter Straße für die Versorgung der Bewohner des Dorfes drei Geschäfte. Da war Milchmann Otto Puls, der auch mit Pferd und Wagen – im Winter mit Pferd und Schlitten – herumfuhr und die Schönningstedter mit seinen Milchprodukten versorgte. Außer dem Milchladen von Puls gab es hier noch den Frisör König und auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Lebensmittelladen.
Am Dorfeingang, am Ende der Schönningstedter Straße, hatte Führböter seinen Gasthof und in seinem „Tante-Emma-Laden“ konnte sich die Dorfbevölkerung mit dem Nötigsten für den täglichen Bedarf versorgen. Die Familie Ratjen hatte den „Lindenhof“ in der Dorfstraße neben dem Dorfteich und ihren kleinen Laden gleich nebenan.
Fehlen durften natürlich auch nicht die Handwerker. Tischler Kempke hatte seinen Betrieb am Ende des Alten Kamps. Später hat sein Sohn die Werkstatt in die Nähe des heutigen Abfallwirtschaftshofes verlegt. Es gab die Schmiede von Schierholz und den Stellmacherbetrieb von Johannes Märker. Schuster Kaiser hatte seine Werkstatt neben dem Hof von Bauer Heinz und Sattler Czerwinski die seine in der Scheune bei Fritz Behn. Ewald Schmidt war Maurer, und sein Betrieb befand sich am Anfang der Oher Straße.
Der Familienname „Puls“ hatte im Dorf Schönningstedt viele Vertreter. Es gab in der Familie vier „Jungs“, die als Erwachsene alle eine stattlicher Körpergröße erreichten. Von Otto, dem Milchmann, war schon die Rede. Dann war da noch Walter Puls, der in der ehemaligen Räucherkate, dem Strohdachhaus Königstraße 3, eine Poststelle betrieb. Paul wurde Maurer, er war auch außerhalb Schönningstedts als Reinbeker Schützenkönig in den 1960 Jahren eine bekannte Persönlichkeit. Hans blieb im elterlichen Fuhrbetrieb, der dann in den 1970/80 Jahren in unserer Region für die Müllentsorgung zuständig war. Die Schwester Helene war mit ihrem Zigarrenladen für viele Schönningstedter, aber auch für die „Reinbeker“ aus Prahlsdorf als Lenchen Raue eine bekannte Persönlichkeit.
Helga Brettner lebt immer noch in Schönningstedt, und immer noch in der Schanze. Wenn man heute den Verlauf dieser Straße in den Hohlweg hinein betrachtet, ist es kaum vorstellbar, dass das einmal der einzige Weg von Schönningstedt nach Aumühle war. Die heutige Sachsenwaldstraße wurde erst zu Beginn der 1960er Jahre ausgebaut. Durch die „Schanze“, diesen Hohlweg, quälten sich über die Jahrhunderte hinweg Fuhrwerke und Fußgänger, später dann wohl auch die Radfahrer, und das zu jeder Jahreszeit. Es gab nur eine Ausweichstelle, damit sich größere Gefährte begegnen konnten. Heute ist das alles kaum noch vorstellbar!
Nicht klären konnten wir in unserem Gespräch, wie eine Kuhle, die alle Schönningstedter kannten und in der im Sommer häufig Kühe weideten, entstanden ist oder wozu sie gedient hat. Sie reichte von der Mitte der heutigen Schanze bis zur Kehre, lief nach Norden flach aus und hatte einen Hangabfall vom Alten Kamp. Die Kuhle – früher auch ein beliebter Spielplatz für die Kinder – wurde beim Ausbau der Straße eingeebnet, und heute stehen dort die Halle der Firma Peters und im weiteren Verlauf die Wohnhäuser.