Zwischen der K80 und Schaumanns Kamp liegt inmitten der Felder ein einsames Haus. Wie es dort hinkam, wer es erbaute und warum es dort so alleine steht, weiß Gudrun Schmidt:
Das Haus in den Feldern fiel mir bereits im Jahre 1968 auf, als wir gerade von Würzburg nach Reinbek gezogen waren. Es dauerte aber einige Jahre, bis ich zufällig Ute Loesener von Tempskys kennen lernte, die mit ihrem Mann das Haus bewohnte. An sie konnte ich mich mit einigen Fragen wenden.
So hatte mich zum Beispiel von Anfang an der baumumstandene Teich erstaunt, der zu dem Anwesen gehört. Wie kam der wohl dorthin? Des Rätsels Lösung: In früheren Zeiten gab es dort eine Lehmgrube mit besonders gutem Material, das die Bauern zum Bau ihrer Fachwerkhäuser und Stallungen genutzt hatten. Auch heute noch bietet die Lehmschicht zum Haus hin eine gute Isolation, es sickert keinerlei Feuchtigkeit dorthin durch.
Doch warum siedelten sich nicht auch andere Bauherren in dieser grünen Oase an? Diese neugierige Frage stellte ich gelegentlich den heutigen stolzen Eigentümern, die sie auch gern beantworteten:
Herrn Loesener von Temskys Großmutter wohnte ursprünglich mit ihrer Familie in Rothenburgsort. Und als der Stadtteil damals umfangreich saniert werden sollte, musste man sich nach einer neuen Bleibe umsehen. Sie erfuhren dabei von einer Siedlung, die zu dieser Zeit in Reinbek geplant war. Der Gutsherr Schaumann wollte Land verkaufen, die Hamburger brauchten neuen Wohnraum – beides passte gut zusammen.
Doch aus den großartigen Plänen, die heute noch im Archiv des Reinbeker Rathauses einzusehen sind, wurde nichts – es kam praktisch über Nacht ein Erlass, dass Bauernland nicht mehr zu Bauland umgewidmet werden durfte.
Die Großmutter aber war schneller gewesen als das neue Gesetz. Mit Goldmark – damals wesentlich wertvoller als die normale Mark – hatte sie geschwind ein Doppelgrundstück gekauft und es auch umgehend ins Grundbuch eintragen lassen. Das war im Jahre 1932. Sogar eine Straßenbaukostenhypothek wurde ins Grundbuch eingetragen – für die Straße, die dort gebaut werden und direkt am Haus vorbei führen sollte. Diese Hypothek wurde später dann wieder gelöscht, als fest stand, dass die Straße nicht realisiert würde.
Nach dem neuen Gesetz sollte das Haus, das auf dem Grundstück schnell noch errichtet worden war, wieder abgerissen werden. Aber der sehr impulsive Großvater wehrte sich dagegen energisch, das Haus – einmal gebaut – blieb stehen! Es war ein Flachdachhaus, ein in Hinschendorf noch mehrfach anzutreffender Haustyp – man hatte den entsprechenden Bauplan von Bauherrn zu Bauherrn weitergereicht und dadurch Kosten gespart, denn viel Geld hatten sie damals alle nicht. Strom wurde von Lohbrügge aus geliefert, damals noch über Leitungen mit Strommasten, die später durch Erdkabel ersetzt wurden.
Während des Krieges und vor allem in der Nachkriegszeit blieben die Besitzer des „illegalen“ Hauses unbehelligt. Und nach dem Krieg war man froh, Wohnraum für die vielen Ausgebombten und Flüchtlinge zu haben. Vier Familien wohnten damals in dem Einfamilienhaus! Zur Wasserversorgung gab es anfangs einen 3 Meter tiefen Brunnen mit Handpumpe, der aber im Sommer mitunter austrocknete. Das notwendige Wasser musste dann mühsam mit Wasserfass und Handkarren aus Hinschendorf herangeholt werden. Zwischendurch wurde dieses Problem mit einem 7 m tiefen Brunnen und elektrischer Pumpe auf dem eigenen Grundstück und endgültig dann im Jahre 1970 mit einem 50-Meter-Tiefbrunnen gelöst.