Nachdem bereits ein Feld bewirtschaftet wurde, kommt nun ein Garten hinzu. Doch der ist zunächst nicht sonderlich ertragreich. Wie Abhilfe geschaffen werden konnte und was die Verdauung der Anwohner der Parkallee damit zu tun hat, erzählt die Reinbekerin nun (aufgeschrieben von Gisela Hackbarth):
„Eines Tages entdeckte unser Vater ein brach liegendes Grundstück in der Parkallee. Es gelang ihm, den Besitzer ausfindig zu machen und wir konnten es pachten. Unser Vater, damals über 50 Jahre alt, und ich, 14 Jahre alt, begannen, das Land zu bearbeiten. Das war mühsam, denn es war ehemals ein Stück Wald gewesen. Überall waren riesige Baumstubben in der Erde, überall wucherten Haselnusssträucher, Weiden, Holunderbüsche und Brombeeren. Dazu lag noch Abfall, Müll und Unrat herum. Endlich konnten die ersten Beete angelegt werden. Wir pflanzten Kartoffeln, steckten Bohnen und säten Erbsen, Karotten und anderes Gemüse. Außerdem pflanzten wir Kohl, Kohlrabi, Sellerie und Porree. Mit der Ernte aus unserem Garten konnten wir uns bald recht gut versorgen.
Der Erdboden war jedoch sehr sandig und nicht sehr ertragreich. Er brauchte Dünger. Aber womit düngen? Die Lösung lag in der Nachbarschaft: Die Häuser am Schmiedesberg hatten Sickergruben. Diese Gruben mussten von Zeit zu Zeit entleert werden. Das erledigte eine Firma. Sie schickte zwei Männer mit einem zweirädrigen Karren, auf dem ein großer schwenkbarer Kübel befestigt war. In diesen Kübel wurden die Fäkalien geschöpft, in den Wald an der Parkallee gekarrt und dort ausgekippt. Unser Vater fand, dass diese Fäkalien hervorragend geeignet seien, sein mageres Gartenland mit Nährstoffen anzureichern. Also wurde vereinbart, dass der Kübel in unserem Garten entleert wurde. Da ein Garten aber nur im Herbst gedüngt werden darf, wurden die Fäkalien zunächst in einer großen Grube, die wir dicht an der Grenze zum unbebauten Nachbargrundstück anlegten, gesammelt. Diese im Durchmesser etwa 3 Meter große und 1 Meter tiefe Grube war zur Sicherheit mit einem kniehohen Wall umgeben. Lang nutzten wir diese Art der Düngung jedoch nicht. Unser Gemüse gedieh nun viel kräftiger. Die Obstbäume, die wir pflanzten, trugen erst einige Jahre später ausreichend Früchte.
War der Sommer warm und trocken, brauchten die Pflanzen dringend Wasser. Einen Wasseranschluss, d.h. Wasser aus dem Wasserhahn, hatte unser Garten nicht. Aber in der Wildkoppel gegenüber gab es einen kleinen Bach. Meine Aufgabe war es nun, nach der Schule Wasser zu holen. Eimer für Eimer schleppte ich heran und füllte das Wasser in eine große Tonne. Abends konnten wir dann damit die Pflanzen gießen. Es waren wohl oft mehr als 20 Gänge, die ich nachmittags machen musste.
Später gruben wir uns einen eigenen Brunnen. Er war etwa 2 Meter tief und führte stets fast 80 Zentimeter Wasser, so dass wir nun hieraus Wasser für den Garten schöpfen konnten. Dazu ließen wir einen Eimer an einem Seil so hinunterfallen, dass er sich mit Wasser füllte, anschließend wurde er gefüllt wieder hochgezogen und das Wasser in eine Gießkanne umgegossen. Das Wassserholen war auch so noch anstrengend, aber der Weg zum Bach war mir nun erspart.
Ein großer Teil des Gartens wurde jedes Jahr mit Kartoffeln bepflanzt. Nach dem Umgraben wurden mit einem Bindfaden die Reihen markiert, in einem Abstand von etwa 30 cm spatentiefe Löcher ausgehoben und die vorgekeimten Kartoffeln sorgfältig hineingelegt. Im Herbst ernteten wir mehrere Zentner Kartoffeln.
Nur jetzt ergab sich das Problem der Lagerung; einen kühlen Keller hatten wir nicht. Also wurde auf dem Grundstück eine Kartoffelmiete angelegt. Dafür wurde zuerst eine längliche Grube ausgehoben, dann musste ich säckeweise Laub aus dem Wald holen und irgendwoher bekamen wir auch etwas Stroh. Die Grube wurde nun mit Laub und Stroh dick ausgepolstert, die Kartoffeln kamen hinein und viel Laub und Stroh darüber gelegt. Zum Schluss wurde alles mit Erde bedeckt. Das war unsere Kartoffelmiete. Von nun an gingen wir alle paar Tage zu unserem Garten, um Kartoffeln zu holen.
Unser Vater pflanzte in unserem Garten auch Tabak an. Im Herbst wurden die Blätter geerntet, auf Bindfäden aufgezogen und zum Trocknen aufgehängt. Unter der Zimmerdecke hingen viele Reihen Tabakblätter, Waren sie trocken, wurde jedes Blatt mit einem Sud eingestrichen, dann mehrere Blätter übereinander gelegt, aufgerollt, in feine Streifen geschnitten und in kleine Päckchen zu je l00g abgepackt. Das alles in unserer winzigen Wohnung, in der wir nun zu Fünft wohnten, denn mein älterer Bruder war aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Dieser Tabak war für uns sehr wertvoll; er wurde gegen Lebensmittelmarken eingetauscht. Wir freuten uns besonders über zusätzliche Milch- und Brotmarken, denn die Zuteilungen waren knapp bemessen.“