Von 1750 bis 1973 wuchs die Bevölkerung Reinbeks um das 80(!)-fache. Eckart Bünning erklärt, wie es dazu kam und wie sich das Ortsbild wandelte.
Bis zum zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts gab es keinen eigentlichen Ort Reinbek. Es war im Schloss die Verwaltung des Amtes Reinbek untergebracht mitsamt dem Dienstpersonal. Weit verstreut im heutigen Ortsgebiet lagen einige Katen, in denen die zum Amtsbetrieb benötigten Handwerker und Arbeiter wohnten. 1750 betrug die Einwohnerzahl 191 Personen.
1772 entstanden nach einer Neuordnung der Ländereien einige Gutsbetriebe. Nun wurden Arbeitskräfte benötigt. Auf den Gütern baute man Wohnungen für die Arbeiter, und im Ort fanden weitere Handwerker ihr Auskommen und siedelten sich an. 1846 war die Einwohnerzahl auf 446 gestiegen.
Als 1846 die Eisenbahn ihren Betrieb aufnahm, errichtete Sanitätsrat Dr. Andresen die Kuranstalt Sophienbad. Das brachte erneut einen Einwohnerschub. Handwerker, Händler und Dienstleistende zogen in den Ort. 1880 betrug die Einwohnerzahl bereits 998 Personen.
Das verkehrsgünstig gelegene Billetal wurde nun von Hamburgern als willkommenes Ausflugsziel entdeckt. Die Eisenbahn als neuer Verkehrsträger hatte das Billetal in die Einflusssphäre großbürgerliche Kreise von Hamburg gerückt, die nach landschaftlich attraktiven Bauplätzen Ausschau hielten. Als 1860 die Torsperre in Hamburg aufgehoben wurde, war ein ungehinderter Verkehr mit dem Umland möglich.
Vor 1870 waren 43 Gebäude im Ort vorhanden, die vorwiegend Handwerksmeistern, Händlern, und Dienstleistungsbetrieben gehörten. Die Bebauung in dieser ersten Bauphase erfolgte überwiegend in der Ortsmitte. Daneben hatten sich einige Ausflugslokale in den Randgebieten angesiedelt.
In der Folgezeit entstanden die ersten großbürgerlichen Villen von betuchten Hamburgern. Zum bevorzugten Baugebiet ihrer Villen wurde das Billetal mit seinen Randzonen. Es zieht sich vom Ziegelkamp beim Mühlenteich über den Heckkamp am Rande des Vorwerksbuschs entlang bis zum Ihnenpark und lässt die Ortsmitte nicht aus. So entwickelte der Ort Reinbek ein besonderes bauliches Beziehungsverhältnis zu Hamburg. Die Bauherren konnten es sich leisten, ihre Häuser in großzügigen, parkartigen Gärten anzulegen. Man war hanseatisch vornehm auf Abstand eingestellt. Eine Villenklausel als Baustatut schuf die rechtliche Voraussetzung für große Grundstücke und einen exklusiven Rahmen. Die Nähe zum Wald und zur Bille und die kurze Entfernung zum Bahnhof waren weitere Anziehungspunkte.
In der Hauptsache fällt die Bauzeit der Villen in die Jahre von 1890 bis 1915. Die ersten Häuser haben lediglich als Sommeraufenthalt gedient. Im Winter kehrte man in die Stadt zurück, um am kulturellen Leben der Großstadt teilzuhaben. Die Stadtwohnung war aber auch wesentlich komfortabler und lag meist verkehrsgünstiger zum Arbeitsplatz. Man muss einmal bedenken, dass es in Reinbek anfangs noch keinen elektrischen Strom gab. Erst auf Betreiben einiger Villenbesitzer wurde 1899 ein Elektrizitätswerk in der ehemaligen Mühle eingerichtet.
Die Reinbeker Villen wurden häufig von bekannten Hamburger Architekten wie Hipp, Grotjahn, Haller Neupert und Schramm konzipiert. Auch der Reinbeker Architekt Hugo Louis und der Lohbrügger Hans-Hinrich Ohle zeichneten für zahlreiche Bauten. Reinbeker und in der Nähe ansässige Baubetriebe führten die Bauten aus.
Die großbürgerlichen Villen waren oft nach gleichem Prinzip gestaltet. Ein großzügiger Eingangsbereich führte in eine Empfangshalle. Von dort gelangte man in einen Salon und in das Speisezimmer. Meist war auch die Bibliothek oder das Herrenzimmer direkt zu erreichen. Die Räume waren durch eine Schiebetür miteinander verbunden und bildeten quasi einen Raumverbund. Die privaten Räume der Villa, Schlaf- und Ankleidezimmer, Bad, Kinder- und Fremdenzimmer lagen im Obergeschoss. Charakteristisch war der hoch liegende Keller. Alle Wirtschaftsräume des Hauses waren hier untergebracht. Dazu zählten alle Vorratsräume für Obst, Kartoffeln, Wein und Kohlen. Außerdem lagen hier die Küche, Wasch- und Plättküche. Als Aufenthalts- und Schlafräume für das Personal waren kleine einfache Kammern im Dachboden eingerichtet.
In den Ansiedlungen der Handwerker hatte sich ein kleinerer, nicht so aufwendiger und doch praktischer Haustyp durchgesetzt. Es ist das Traufgiebelhaus mit einem Erdgeschoss, in dem Wohn-, Wirtschafts- und Geschäftsräume untergebracht waren. Unter dem schrägen Dach mit einem Giebel zur Traufseite, der Straßenseite, lagen Schlaf- und Nebenräume. Häufig war hier eine weitere Wohnung eingerichtet. Einige der am Bauboom gut verdienenden Handwerksmeister bauten sich repräsentative Wohnhäuser.
Die nicht begüterten Arbeiter wohnten in einfachen Katen in sehr beengten Raumverhältnissen. Ein Beispiel mag die Situation in der so genannten Räucherkate, die in der Klosterbergenstraße lag, sein.
Bevor Anfang der 1930er Jahre einige bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen zugunsten von Siedlungsbau aufgegeben wurden, zählte der Ort etwa 330 Gebäude und hatte 2700 Einwohner. Prahlsdorf wurde ausgebaut, die Siedlungen Hinschendorf und Wildenhof entstanden als geschlossene Bebauung und im Ort selbst wurden Baulücken aufgefüllt. Zwischen 1931 und 1939 wurden 450 Wohnhäuser und 130 Wochenendhäuser gebaut, so dass 1939 schließlich 4046 Menschen in Reinbek wohnten.
Die Flüchtlingsströme und ausgebombte Hamburger erhöhten 1946 die Einwohnerzahl auf 9669 Menschen. Die Wohnungsnot war unbeschreiblich groß. Die ersten Wohnblocks in Reinbek entstanden 1951 auf einigen der wenigen freien Flächen im Stadtgebiet. Als dann Gut Hinschendorf und Bauernhof Soltau ihren Betrieb aufgaben, waren große Flächen für den Wohnungsbau vorhanden. Das Amerika-Meyer-Gelände, Schaumannskamp, Klosterbergengebiet und Soltaus Koppeln wurden mit unterschiedlichen Gebäudetypen bebaut. Das heute noch am höchsten gelegene Hochhaus in Schleswig-Holstein auf dem Holländerberg gehört dazu. 1973 hatten im alten Reinbek vor der Gebietsreform 15 446 Menschen ihre Heimat gefunden.