Auf Gut Hinschendorf wurden 195 Hektar Land bewirtschaftet – als Baron von Cramm 1884 das Gut erworben hatte und die Ländereien des Guts Karolinenhof dazukaufte, waren sogar 236 Hektar zu bearbeiten. Über Landwirtschaft, Aufbau des Gutes und die Entwicklungen im 20. Jahrhundert geben wir hier Auskunft:
Gut Hinschendorf war kein spezialisierter Betrieb. Angebaut wurde zunächst alles, was für den Eigenbedarf notwendig war, und darüber hinaus das, was einen guten Verkaufserlös versprach. Benötigt wurde Hafer als Kraftfutter für die Pferde. Ein Teil der Gerste wurde geschrotet und zusammen mit Kartoffeln als Mastfutter an die Schweine verfüttert. Roggen und Weizen wurden verkauft. Mit dem Stroh streute man die Ställe aus; später kam es als Mist auf die Felder. Die besseren Speisekartoffeln lagerte man nach der Ernte zunächst in der Kartoffelscheune. Nachdem die Feldarbeit im Herbst abgeschlossen war, wurden sie gereinigt und sortiert und gelangten schließlich als Speisekartoffeln auf den Markt. Futterkartoffeln für die Schweine und Runkelrüben konnten als Wintervorrat in langen Erdmieten in der Nähe des Hofes eingelagert werden. Geschnitzelte Runkelrüben bekamen die Kühe zusammen mit Heu als Stallfutter im Winter.
Die Milchwirtschaft spielte eine bedeutende Rolle für den Gutsbetrieb. Sie brachte das ganze Jahr über regelmäßige Einnahmen. Der Viehzählung von 1935 nach waren 52 Milchkühe im Hinschendorfer Stall. Der Milchertrag betrug 1935 etwa 10 Liter pro Tag und Kuh. Hundert Jahre zuvor waren es nur 5 Liter gewesen. Gemolken wurde morgens und abends, die Milch wurde dann in der eigenen Gutsmeierei verarbeitet und später mit pferdebespannten Milchwagen zu den Kunden gebracht. Nach 1950 kam die Rohmilch zu einer Hamburger Meierei. Die weitere Verarbeitung erfolgte dann dort.
Der Gutshof
Der Hinschendorfer Gutshof bestand aus zwei imposanten Wirtschaftsgebäuden mit den Grundrissen von 52 x 17 m. Sie waren 9,5 m hoch und flankierten den Hofplatz. Das westliche Gebäude enthielt neben Lagerplätzen für Ernteerzeugnisse auch den Rinderstall und die Milchverarbeitungsräume, in der östlichen Scheune war der Schweinestall.
Die Gutsschmiede stand separat, nur eine Wagenremise war mit ihr verbunden. Der Pferdestall mit seiner Tordurchfahrt begrenzte das Hofviereck nach Norden. Einige Wohnkaten für die Gutsarbeiter lagen abseits des Hofes.
Wie seinerzeit die Vorwerkspächter, so verpachteten zunächst auch die Gutsbesitzer ihre Kuhbestände an selbständig wirtschaftende Meier, die Molkereiprodukte herstellten und auf eigene Rechnung verkauften. Die Niederländer hatten große Kenntnisse in der Butter- und Käseherstellung, und die Herkunftsbezeichnung „Holländer“ wurde dadurch zur Berufsbezeichnung. Die Reinbeker Holländerei lag am Holländerberg, dort wo heute eine gleichnamige Straße, die mit der Siedlung Hinschendorf entstand, einen Durchgang zur Hamburger Straße lässt.
Als Curt Carl Christian Baron von Cramm 1884 das Gut erwarb, ließ er hoch am Holländerberg auf dem Gelände der Holländerei eine prächtige Villa erbauen. Nebenan entstanden ein Kutscherhaus mit einer Remise sowie ein parkartiger Garten mit Tennisplatz.
Baron von Cramm starb im Jahre 1890. Er wurde auf dem Reinbeker Friedhof begraben und auf seinem Grabstein steht die Inschrift „Herr auf Hinschendorf“. Seine Witwe Fernandine verkaufte 1910 den Gutsbetrieb und die Ländereien an Willi Schaumann. Das damalige Herrenhaus, „die Villa von Cramm“, mit den Nebengebäuden, dem großen Park und dem Tennisplatz blieb jedoch in ihrem Besitz.
1963 wich die Villa dem Sachsenwaldhochhaus mit 146 Eigentumswohnungen, das wegen seines Grundrisses im Volksmund auch „Y-Hochhaus“ genannt wird.
Das Hinschendorfer Herrenhaus
Es war wohl ein Zufall, dass im August des Jahres 1910 – Willi Schaumann aus Vierlanden hatte gerade das Gut angekauft – das alte in der Nähe der Wirtschaftsgebäude liegende Gutshaus abbrannte. So konnte an gleicher Stelle ein neues, repräsentatives Herrenhaus gebaut werden. Es steht heute im Kern noch fast unverändert.
Vor dem Haus, vorbei am Eingang, verlief ein Weg um das von Kastanienbäumen umsäumte Rondell. Hier fuhren die Kutschen der Gäste vor. Das Haus ist hoch heraus gebaut. Eine Freitreppe führt zum Haupteingang. Oben auf dem Treppenpodest stehend empfing der Hausherr seine Gäste. Ohne Unterschied von Rang und Namen mussten sie zu ihm emporsteigen. Die Gäste wurden dann in eine weiträumige Halle geleitet. Wer nicht genehm war, kam nicht weiter ins Haus, allenfalls noch in das private Büro des Gutsherrn, das gleich rechts neben dem Eingang lag und mit dem Gutsbüro, das einen eigenen Eingang über eine kleine Außentreppe hatte, verbunden war.
Von der Empfangshalle aus waren Speisezimmer, Salon und Herrenzimmer zu erreichen. Eine breite Treppe führte zu den privaten Schlaf- und Ankleideräumen im Obergeschoss. Im hoch heraus gebauten Keller waren Küche, Waschküche und andere Wirtschafts- und Vorratsräume untergebracht.
Die Auflösung des Gutes
In den Jahren von 1939 bis 1948 hatte Reinbeks Bevölkerung nicht nur ausgebombte Hamburger, sondern auch Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten aufnehmen müssen. Ein ungeheurer Bedarf an neuen Wohnungen und weiteren Arbeitsplätzen war entstanden. Die Bevölkerungszahl war von 4000 auf 10000 gestiegen. Willi Schaumann war zum Verkauf seines Gutes Hinschendorf bereit, und so wurde in Kooperation zwischen der Stadt Reinbek und dem Grundeigentümer ab 1959 die Landwirtschaft eingestellt und die Flächen an mehrere Bauinteressenten verkauft.
Das Herrenhaus wurde erst Pflegeheim, dann Arztzentrum, die Wirtschaftsgebäude wichen dem Geschäfts- und Einkaufszentrum. Der Täbyplatz entstand mit einer damals lebendigen vielseitigen Ladenzeile und dem Wochenmarkt, der immer noch großen Zuspruch findet. Als nördliche Begrenzung des Täbyplatzes wurde die Nathan-Söderblohm-Kirche mit ihrem Gemeindezentrum erbaut.
Bald begann auch die Erschließung der ehemaligen Hinschendorfer Ländereien, Straßen wurden angelegt mit Ver- und Entsorgungseinrichtungen, Wohnungsbauobjekte verschiedener Träger folgten. Reihenhäuser und Wohnblocks gestalten den Stadtteil Klosterbergen mit der Klosterbergenschule, dem Sportstadion und einem Kleingartengelände. Von den einstigen Wiesen und Feldern ist heute nichts mehr zu erkennen.